Mittwoch, 24. Dezember 2008

Eine Reise nach Mindo

von Sebastian

Ecuador hat viel zu bieten. Wie überall auf der Welt gibt es auch in Ecuador ein paar "places to see before you die," ein paar Orte an denen jeder (Rucksack-)Tourist, der beim großen Tratsch mitreden will, gewesen sein muss. Die Hauptstadt Quito gehört dazu, die heißen Quellen, die Galapagos und mit Sicherheit auch der Nebelwald. Nachdem ich mit Nina und ihrem Bruder eine Woche in Quito und Umgebung verbracht hatte beschlossen wir also für ein paar Tage in den Nebelwald zu fahren. Ahnungslos wie wir waren, steuerten wir ersteinmal die Touristeninformation in Quito an um uns dort die nötigen Informationen zu holen. Dort erzählte man uns von Mindo, einem kleinen Ort im Nebelwald, der einfach per Bus zu erreichen ist und sich gut als Ausgangspunkt für Touren eignet. "Ob man dort auch zelten kann?" fragten wir unsicher, "si, si claro" sagte uns die freundliche Dame und der Plan war gemacht. Wandern, zelten Nebelwald - Adventure at its purrest. Das wir für uns Drei nur ein Zweimanzelt hatten störte uns nicht. Durch den Kauf einer Plane, unter der einer von uns schlafen sollte, war das Problem (ersteinmal) behoben.

Ein paar Tage später stehen wir am Busbahnhof. Der nächste Bus nach Mindo fahrt erst in 4 Stunden. Halb so schlimm. Ich nutze die Zeit für einen Stadtbummel während Nina und Jonas sich im Internetcafé vor der heißen Sonne schützen. Das Viertel in dem ich herum schlendere gehört nicht zu den feineren von Quito. Ich sehe nur sehr wenige Blondschöpfe auf den Straßen. Ob ich hier wohl als Ausländer auffalle? Niemand schaut mich an und ich bilde mir ein, dass ich durch die braunen Haare und den dunklen Bart nicht ganz so fremdländisch aussehe. Ich versuche so zu tun, als ob ich genau weiss wo ich hinwill - habe aber eigentlich keine Ahnung. Mit meinem Spanisch schaffe ich es gerade noch mir in einem Café eine Cola zu bestellen. Leider ist sie warm. Was "gekühlt" heißt, ist mir bisher noch unbekannt. Auch darf ich die Flasche nicht mit hinausnehmen wie ich es erst vor hatte. "Vermutlich will der Wirt nicht auf das Pfandgeld verzichten", denke ich mir und freue mich über den so gewonnen Schatten.

¡Adios Quito! Als wir im Bus sitzen wird uns schnell klar wohin die Reise geht. Neben, vor und hinter uns sitzen große blonde Menschen mit Funktionskleidung a la Globetrotter Ausrüstung und Jugendliche mit Skaterschuhen und weiten Pullovern. Auch ein paar buntgekleidete Langhaarige sind dabei. "Bienvenidos en Gringolandia," würden die Ecuadorianer jetzt sagen. Herzlich Willkommen in der Touristenkutsche! Natürlich haben nicht nur wir den "Tipp" von der Touristeninformation bekommen. Wir freuen uns - trotzdem oder deswegen und genießen den Blick aus dem Fenster. Auf halber Strecke - wir sind schon mitten im Nebelwald - bleibt der Bus plötzlich stehen. Die Autoschlange vor uns versperrt den Weg. "Was nun - Unfall, Überfall oder was?" Nein, nichts dergleichen. Der Berg, der sich zu unserer Linken erhebt ist in Teilen auf die Straße hinabgestürzt. Dieser Zustand dauert wohl schon seit längerem an. Die vielen Händler die sich am Straßenrand niedergelassen haben und uns "Empanadas", "Bebidas" und andere Köstlichkeiten verkaufen deuten darauf hin. Bald erfahren wir dass eine Spur schon wieder zu befahren ist und die Bauarbeiter ab und zu einen Stoß Autos durchlassen. Wir haben Glück. Nach einer guten halben Stunde dürfen wir durch.

Mit Einbruch der Dämmerung erreichen wir Mindo. Ein kleines Dorf mir 2000 bis 3000 Einwohnern. Es sieht so aus wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir sehen bunte Reklameschilder auf Spanisch und Englisch, die für billige Unterkünfte und jegliche Art von Abenteuertourismus werben. Auf den Straßen und in den vielen Kneipen sieht man hauptsächlich junge Menschen europäischer Herkunft. Es ist feucht und heiß. Fast wie im Regenwald. "Ob man hier auch zelten kann?" fragen wir uns wieder. Für die erste Nacht wollen wir uns eine Herberge leisten. Kaum sind wir aus dem Bus raus spricht uns eine Frau auf Englisch an und fragt ob wir "guys" den noch etwas zum schlafen brauchen. Vorsichtshalber verneinen wir und finden dann aber auch schnell eine Unterkunft, die sich als sehr gut erweist. Wir kommen in einem richtigen "Dschungelhotel" unter. Ein dreistoeckiges, verwinkelt gebautes Holzhaus das die Wände teilweise offen hat. Die Bauart erinnert mich eher an die eines Baumhauses. Es gefällt uns und unter den Moskitonetzen ist uns eine halbwegs ruhige Nacht gesichert.

Am nächsten Tag müssen wir mit bedauern feststellen, dass das Zelten hier nur auf ausgewiesen kommerziellen Plätzen möglich ist (für die muss man dann mehr bezahlen als für unser Hotel). So haben wir uns das nicht vorgestellt. Abseits von Wegen und Plätzen gibt es schlicht kein Durchkommen. Auch der Nebelwald wächst, wie ein Regenwald in drei Schichten und ist nicht mit einem sauber aufgeräumten deutschen Wald zu vergleichen. Aufgrund dessen ändern wir, spontan wie wir sind, unsere Reisepläne dahingehend, dass wir von unseren Zeltplaenen absehen und auf unser Dschungelhotel als "Basisstation" zurück greifen. Auch das wandern ist nicht so einfach. Es gibt zwei Waldwege die den Berg hinauf führen und als Zugangswege zu den zahlreichen Attraktionen wie Wasserfällen, Schmetterlingsbeobachtung, Raffting und Seilbrücken dienen. Als einfache Wandertouristen sind wir hier wohl eher die Außenseiter. Auf Fußvolk treffen wir unterwegs eher selten. Ueberholt werden wir nur von den stinkenden Pick-ups, die die abenteuerhungrigen Touristen zu den Attraktionen bringen. Als wir ganz oben am Ende des öffentlichen Weges ankommen, der Rest ist privat, erkaufen wir uns für nur drei Dollar pro Person den Zugang zu einer wunderschoenen Wasserfalllandschaft. Auf dem Gelände durch dessen Mitte sich ein großer Fluss zieht gibt es eine Wasserrutsche, eine Badestelle und einen Sprungfelsen von dem aus man aus zwoelf Metern Hoehe in den Fluss springen kann. Wir machen nichts davon, schauen einfach nur, laufen, sitzen und staunen. Neben der Badestelle wurde ein grosser Barcomplex aus Beton, Holz und Bambus installiert. Es sieht aber, wie vieles hier in Ecuador, unfertig und ungenutzt aus. Das Gebaeude ist verfallen, die Bar leer, Muell liegt herum, die Eisentraeger schauen noch aus dem Beton heraus. Man kann nicht erkennen ob die Bar jemals fertig gebaut wurde oder ob sie ihre besten Zeiten schon hinter sich hat. Konnte hier einfach nicht mehr verwirklich werden was irgendein Idealist geplant hatte oder haben die Ecuadorianer einfach andere, nicht so perfektionistische Ansprueche wie wir. Wie auch immer, die Menschen im Wasser haben Spass und wir auch. Als der Regen hereinbricht machen wir uns auf den Heimweg. Der Eintritt hat sich gelohnt.
Auf dem Rueckweg treffen wir Nelson und fueren ein interessantes Gespraech. Nelson war vor 20 Jahren masgeblich daran beteiligt den Tourismus nach Mindo zu holen. Er erzaehlt uns, dass es in den 80er Jahren noch keinen Tourismus in Mindo gegeben hat. Die Menschen haben von der Fischerei, Rinderzucht und dem Wald gelebt. Ihm und einigen anderen war das auf Dauer zu eintoenig. Sie beschlossen den Wald unter Schutz zu stellen, privatisierten ein Teil davon und machten es fuer Touristen attraktiv. Es dauerte lange bis die Plaene duchgeschlugen, aber nun lebt bereits ueber 80 % des Dorfes vom Tourismus. Wir fragen viel und Nelson erzaehlt uns auch ungefragt, dass seit einigen Jahren Muel getrennt wird, die Loehne gestiegen sind und Maenner wie Frauen gleichviel verdienen. Scheinbar bekommt er Fragen die in diese Richtung gehen oefter. Weil er so viel mit Touristen spricht, hat Nelson kuerzlich angefangen Zeitung zu lesen. So ist er immer informiert und kann alle neugierigen Fragen beantworten wie er sagt. Aufgeklaert gehen wir nach Hause. Es scheint diesem Dorf gut zu gehen. Uns fallen keine negativen Auswuechse des Tourismus auf. Mit einem selbstgekochten Essen und Karten spielen beschliessen wir den Tag.

Nach einer ruhigen Nacht bestaunen wir noch die Schmetterlinge die in einer Art Gewaechshaus gezuechtet werden. 80% der Tiere behalten sie dort und 20% werden wieder ausgesetzt. So viele Schmetterlinge sieht man nur noch selten. Wir machen viele Fotos um das bunte Geflimmer festzuhalten. Nina erzaehlt uns von dem Unterschied zwischen Regenwald und Nebelwald. Waehrend man Regenwaelder gewoehnlich in der Ebene findet, sind die Nebelwaelder meist an Haengen angesiedelt. Da sich zwischen den Bergen viele Wolken fangen herrscht im Nebelwald ein ganz anderes Klima als im Regenwald.
Auf dem Rueckweg sehen wir wie eine Gruppe von Erwachsenen sich auf einem Floss aus Gummireifen den Fluss hinunter treiben lassen. Nach wenigen hundert Metern werden sie weiter unten am Fluss wieder von ihren Guides in Empfang genommen. Ich frage mich, ob so etwas ein Abenteuer sein kann, ob es das Geld der Leute wert gewesen ist. Kann man Abenteuer ueberhaupt erkaufen? Was fuer abwegige Gedanken. Wenn ich in die Gesichter der Menschen auf dem Floss blicke muss ich beide Fragen klar mit ja beantworten. Jeder lebt sein eigenes Abenteuer, hoffentlich. Mein Abenteuer sieht anders auch. Zurueck im Hotel packen wir unsere Sachen. Unter dem Bett entdecke ich noch ein Sechserpack Dosenbier (Marke Pilsner aus Kolumbien) das mein Vorgaenger wohl vergessen haben muss. Ich packe die Dosen ein, natuerlich. Dosenbier - soetwas habe ich auch lange nicht mehr gesehen. Das ist ja auch schon fast abenteuerlich.

Die Rueckfahrt bietet wenig neues. Die Baustelle besteht immer noch, diemal warten wir eine Stunde, die Gesichter im Bus sind mir auch schon bekannt und ich bin muede. Abends sind wir in Quito. Wir machen uns Nudeln mit Gemuese. Dazu gibt es Dosenbier.

Bilder von Mindo:
Mindo I-Seite

Dienstag, 23. Dezember 2008

Gut - aber nicht fuer alle

von Nina

Jonas wurde vom Hund gebissen.
Das passiert hier schnell. Ueberall gibt es Hunde. Viele Menschen haben Hunde und noch mehr Hunde gibt es ohne zugehoerigen Menschen. Hunde die zu Menschen gehoeren sind meistens gegen Tollwut geimpft, Hunde ohne Menschen meistens nicht. Unguenstig ist dabei, dass also die meisten Hunde nicht gegen Tollwut geimpft sind.

Wir gehen einen Weg entlang und eine Frau mit mindestens fuenf Hunden kommt uns entgegen. Eigentlich sind wir schon vorbei, da gibts ploetzlich grosses Gebell und einer beisst Jonas ins Bein. Nicht wirklich schlimm, erstmal nur ein Schreck. Eine kleine Wunde ist schon zu sehen und da wir von der Frau nicht erfahren, ob ihr wunderbares Vieh gegen Tollwut geimpft ist oder nicht, gehen wir zum Arzt.
Der Arzt in Tumbaco behandelt die Wunde mit einem Haufen verschiedener Mittel und raet Jonas am naechsten Tag in ein Krankenhaus in Quito zu gehen um dort eine Prophylaxeimpfung zu bekommen. Dort werden an die Notaufnahme verwiesen.
Und ich bin sehr positiv ueberrascht von den Gesundheitseinrichtungen hier. Keine sterbenden Kinder in der Notaufnahme, sondern alles sehr sauber, freundlich und es gibt sogar Baenke zum drauf sitzen. Jonas wird gleich in Krankenhauskleidung eingekleidet und bevor ueberhaupt jemand seine (winzige) Wunde anschaut, liegt er auch schon ganz in weiss und gut zugedeckt in einem Behandlungsabteil auf einem (viel zu kurzen) Bett. Wir koennen uns beide ein Laecheln nicht verkneifen: Schon aergerlich, dass der Fotoapparat draussen mit Sebi wartet....
Da Jonas schon in Deutschland gegen Tollwut geimpft wurde, bekommt er eine Auffrischungsimpfung und sein Bein wird grossraeumig verpflastert.
Im Gegensatz zu dem Krankenhaus in Pucallpa, Peru habe ich hier den Eindruck, dass es hier schnell gute Hilfe gibt, im Falle eines Notfalls.

Die Frage ist natuerlich hier wie auch in Peru, welcher Teil der Bevoelkerung sich diese grossartige Gesundheitsversorung leisten kann. Die Notaufnahme wird von 3 Security-Leuten bewacht und die Ausgangstuer wird nur nach Vorzeigen der bezahlten Rechnung aufgeschlossen.

Weihnachten

von Nina

Morgen ist Weihnachten. Aber bis auf die Plastikbaeume die an jeder Ecke rumstehen und die hektischen Verkaeufer die einem Weihnachtsmuetzen andrehen wollen, geht alles wie immer weiter. Ohne den Jahreszeitenwechsel, der in Deutschland die weihnachtliche Stimmung ausmacht, koennte Weihnachten hier wohl an irgendeinem Tag im Jahr stattfinden.
Mir scheint, als ob viele der Traditionen die ich von Weihnachten kenne, hier nicht verwurzelt sind, aber dennnoch propagiert werden.
Plastikweihnachtsbaeume als Symbol fuer das Leben,
Rote Muetzen bei 30 Grad,
Ausserdem:
Riesige Plakate die darauf aufmerksam machen, was man seinen Lieben alles unbedingt schenken muss.
Wahnsinn?
Nein, Normalitaet.
Schliesslich wollen ueberall die Menschen die Welt nachahmen, die sie in Soaps im Fernsehen vorgegaukelt bekommen.
Auch in diesem Land ist die Kommerzialisierung der Religion mit Weihnachtskugeln, -baeumen, - liedern und Geschenkewahn wie eine grosse, rollende Flutwelle hereingebrochen und beschert den Menschen neben viel Stress hoffentlich wenigstens auch ein bisschen Ferien.

Bilder von Quito:
Quito


Ich wuensche euch schoene Weihnachten!
Nina

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Hallo ihr lieben Leute!

von Nina

Nun schreiben wir euch das erste Mal vom anderen Ende der Welt ; )

Wir sind da und seit heute habe ich auch das Gefuehl langsam hier richtig anzukommen. Obwohl es noch ein bisschen dauern wird, bis es sich hier heimisch anfuehlt.

Vor einer Woche haben wir uns in Hamburg verabschiedet und sind durch einen ewigen Sonnenaufgang geflogen - nach 6 Stunden hab ich mich dann gefreut, dass wir ueber Canada abgebogen sind und es endlich mal richtig hell wurde.
Wir hatten kurz Zeit einmal nach New York reinzufahren und uns auf dem Weg dahin durchregnen zu lassen, weil das Dach undicht war. Ueberall auf den Strassen nur die fettesten Autos - nur der Bus, der ist undicht... Abends landeten wir in Houston, Texas und wurden sehr nett von einer Couchsurfing Familie empfangen. Wie schoen es doch ist, wenn irgendwo in der Fremde ploetzlich Menschen auf einen warten, aufnehmen und sich an ihrem Leben teilhaben lassen - und das voellig ohne Gegenleistung.
Freitag abend ging es weiter Richtung Ecuador und wir hatten das Glueck vom Flugzeug aus den wunderschoenen Vollmondaufgang zu bewundern. Die Menschen um uns herum wurden zunehmend suedamerikanischer - wasn Wunder ; ) - nur die Filme im Flugzeug blieben die gleichen bloeden Ballerstreifen - ein Hoch auf die Kopfhoerer!

Jonas, mein Bruder, holte uns in Quito ab - er war zum Glueck mit seinen fast zwei Metern in der Menge gut zu erkennen.
Er ist nun schon ueber drei Monate hier und seine Umgebung hier kennen zu lernen ist spannend. Nachdem wir ein paar Tage in Quito verbracht hatten - uiuiui ganz schoen anstrengen, auf fast 3000 m eine Erhebung hochzukommen ... - fuhren wir am Dienstag nach Chumbillo alto, das Dorf in dem Jonas als Freiwilliger in der Schule arbeitet.

Wir brauchten ueber zwei Stunden fuer den Weg und eine Fahrt mit dem Bus hier ist immer wieder ein Erlebnis wert. Das Dorf liegt auf einem Berg auf ca. 3200 m und die letzte halbe Stunde fuhren wir mit zwei Lehrerinnen mit, die im Nachbardorf unterrichten und uns mehr aus Pflichtgefuehl als aus Freundlichkeit heraus mitnahmen. Die letzte halbe Stunde zu Fuss und schon standen wir vor der frisch gestrichenen Schule des Dorfes - ein wunderschoener Ausblick empfaengt uns und eine Horde Kinder die etwas verschuechtert, uns mit jedem Tag aber ausgelasser ihr "Buenos días" zurufen. Jonas wird von jedem einzelnd mit "Buenos días, profesor" begruesst.
Luis ist der einzige richtige Lehrer in dem Dorf, Jonas unterstuetzt ihn und Sebastian und ich schauen zu, wie 30 Kinder von 5 - 12 Jahren unterrichtet werden. Der Tag beginnt ca. um halb neun mit einem Fruehstueck aus Kakao und Keksen, jedes Kind bringt seine Tasse mit. Dann irgendwann beginnt der Unterricht mit einem (sehr traurigen) Weihnachtslied. Hier scheint es nicht wichtig zu sein, dass alle Kinder an ihren Aufgaben arbeiten, zwischendurch stehen sie auf, spielen; die Kleinsten arbeiten jeder im eigenen Tempo in einem Aufgabenheft, Hunde rennen durch die Raeume und hoffen auf Nahrung. Irgendwann nach ungefaehr zwei Stunden gibt es eine Pause und die Kinder - alle in Gummistiefeln - rennen raus und spielen Fussball auf einem riesigen Matschfeld. Nachmittags ist frei, die Kinder verteilen sich wieder auf das weit gestreckte Dorf.
Einen Tag unterrichtet Jonas die Aelteren in Englisch. Die schwerste Frage bleibt die, wie es wohl zu schaffen waere, dass sich die Kinder ueberhaupt ein Wort in Englisch merken koennen. Jonas erzaehlt, dass auch nach Wochen Englischunterricht, jedes Mal fragende Blicke auftreten wenn der Satz "How are you?" faellt.
Die Kinder haben Spass daran Karteikarten zu basteln, Tiere auf die eine Seite zu malen und das englische Wort auf die andere, auch sich gegenseitig abfragen macht ihnen Spass, aber sich die Worte merken? Das ist sehr schwer.
Wir gruebeln - wie ist es moeglich etwas zu vermitteln, mit spielerischen Methoden und so, dass die Kinder in der naechsten Stunde auch noch wissen, was "I'm fine" heisst? In diesem Dorf in den Anden, zwei Stunden Fussweg entfernt zur naechsten kleinen Stadt gibt es einfach keine Verbindung zu Englisch. Es kommt nicht, wie bei deutschen Kindern, in ihrem Leben vor. Im Radio laeuft Musik auf Spanisch, Fernsehen gibt es keins, der einzige Computer in der Schule wird erst ab Januar Internet haben.
Seit sieben Jahren gibt es in Chumillos alto eine Schule, vorher gingen die Kinder ins Nachbardorf. Einige Jugendlich gehen auf eine weiterfuehrende Schule in die naechste Stadt. Seit 15 Jahren gibt es Strom im Dorf. Luis, der Lehrer, erzaehlt, dass die Jahreszeiten nicht mehr so klar getrennt sind, wie frueher in der Generation seiner Grosseltern. Das Dorf wandelt sich, vielleicht werden die heutigen Kinder, die jetzt bei Jonas Englisch lernen, nicht mehr in dem Dorf alt werden, vielleicht werden sie in die Stadt gehen und vielleicht werden sie dort Englisch brauchen. Im Moment ist es noch etwas ohne Bedeutung, nicht mehr als eine nette Beschaeftigung, irgendwann wird es vielleicht einmal mehr Stellenwert haben - leider koennte man jetzt denken - oder gut?

Die Naechte sind kalt im Dorf, aber zu dritt in Jonas kleinem Raum ist es sehr gemuetlich. Heute morgen leuchtete ein Schneebedeckter Gipfel in der Ferne, Quito war unter Wolken verborgen.
Bald ist Weihnachten und drei andere Freiwillige die eigentlich in der Tumbaco, einer Vorstadt von Quito, arbeiten, sind in der Dorf gekommen um den Kindern ein Puppentheater vorzuspielen und mit ihnen Kekse zu backen. Da es keinen Ofen im Dorf gibt, haben sie einen Ofen auf dem Pick-up mitgebracht und los geht es: Die Kinder sind aufgeregt, zuerstmal Haende waschen, dann werden die Tische abgewischt und schon sind die Kinder dabei, den Teig plattzudruecken, mit Flaschen auszurollen, Kekse auszustechen und als Hoehepunkt die Kekse mit Lebensmittelfarbe anzumalen. Was fuer ein Spass! Entsprechend sieht der Raum auch hinterher aus - aber die sowieso schon von der Hoehensonne roten Wangen der Kinder leuchten - fuer viele das erste Mal, dass sie Kekse backen. Und sie schmecken gut!
Viele Menschen sind heute im Dorf unterwegs, Kuehe, Schafe und Schweine werden durch die Gegend gefuehrt und Frauen mit traditionellen Roecken und Ponchos druecken sich an den Fenstern der Schule die Nase platt, um zu sehen, was darin gemacht wird.
Am Ende des Vormittags spielt die Dorfband fuer alle ein Dankeschoenstaendchen - Jonas wird als Rhythmusmensch integriert und von allen bejubelt *grins*

Mit den anderen Freiwilligen fahren wir mit elf Menschen in einem Pick-up wieder Richtung Quito. InTumbaco angekommen ist es wie eine andere Welt - Stadt, Gestank, grau, Staub. Kontrast zu der Idylle auf dem Berg. Und ich fuehle mich wohl, merke, dass ich langsam hier ankomme, dass das Herz dieses Landes in den "indígenas", den Einheimischen liegt. Dass es alles andere als grau und verstaubt ist, sondern vielmehr gruen und saftig und voller Schoenheit. Es tut gut, das urspruenglichere Leben zu sehen um zu merken, dass das ganze Grau und der Staub in der Stadt auch einen Kern hat, der ganz anders aussieht.

Ich bin gespannt, was wir hier noch alles entdecken werden.
Sonnige Gruesse,
Nina

Samstag, 6. Dezember 2008

Was uns bewegt, Unsere Motivation

"Die Menschheit wird erst glücklich sein,
wenn alle Menschen Künstlerseelen haben
das heißt,
wenn Allen ihre Arbeit Freude macht.

(August Rodin)


"If you have come to help me,
you are wasting your time,
but if you come
because your liberation
is bound up with mine,
then let us work together!"

(Aboriginal activists group, Queensland, 1970s)

Wie zwei Bäume


Wir sind wie zwei Bäume
Nahe genug gepflanzt
Berühren wir uns erst
Wenn unsere Zeit
In die Stille tropft.

Vielleicht treffen wir uns
Auch nur im Waldboden
Mit unseren Wurzeln
Und trinken dann
Von einem Wasser.

Wie nah pflanzt man uns?

(Reinhard Lehmitz)

Ich möchte Menschen treffen und sie kennenlernen. Ich möchte ihnen begegnen und ihre Geschichte hören. Vielleicht gibt es dann etwas was uns verbindet und wir werden Teil einer Geschichte.

Freitag, 5. Dezember 2008




Zeit wollen wir haben, um unter Bäumen zu sitzen. Zu erzählen. Die Ruhe und Energie spüren.