Montag, 31. August 2009

Der Zirkus als Erzieher

Zirkus ist Kunst, ist Aufregung, Spektakel und Show.
Zirkus bedeutet Freiheit, bedeutet Form,
Bedeutet sich in Geduld zu üben,
Bedeutet ausgelassen sein.
Verzweiflung und Freude.
Zirkus bedeutet Begegnung-
Mit sich selbst und mit den anderen.
Entwicklung, Entfaltung. Schwachsinn und Tiefsinn.
Humor, Ernst und Spannung.
Zirkus ist Musik, ist Tanz, ist Bewegung und Stillstand.
Zirkus ist Zauber, ist Artistik, ist Geschick, ist Spiel.
Zirkus ist bedeutend,wenn er lebendig ist.
Zirkus ist tot, wenn er tot ist.
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Zirkus ist soviel und gerade deswegen ist er auch wieder nichts. Es gibt ihn nicht. Man kann kein Bild an die Wand malen: "Das ist der Zirkus." Der Zirkus entsteht durch die Leute die ihn erschaffen. Er ist wie das Leben. Lebendig. Nie gleich.
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Am Samstag, den 29. August beendeten wir unseren Zirkusunterricht an der Schule "La Casa de Cartón" mit einer gelungenen Aufführung zum 25. Geburtstag der Schule. 38 Kinder haben in 15 Minuten vor Lehrern, Eltern, Mitschülern und Gästen das gezeigt, was sie in einem halben Jahr Unterricht gelernt haben. Für mich ein Grund zur Freunde. Auch aber ein Grund zurückzublicken, Resümee zu ziehen und sich zu erinnern - an das was gut war, und an das was schlecht war.Angefangen haben wir mit unserem Unterricht im März, zu Beginn des Schuljahres. Anstatt eines gemeinsamen Kunstunterrichts können sich die Oberstufenschüler im "La Casa de Cartón" klassenübergreifende Kunstkurse wählen. Nach einem Semester werden die Kurse gewechselt, so dass jeder Schüler pro Jahr zwei Kunstkurse belegen kann. Zur Wahl stand "Theater", "Tanz", "Musik", "Literarisches Schreiben" und "Zeichnen."Der Zirkuskurs den ich mit Nina zusammen angeboten habe zielte darauf ab, dass die Jugendlichen sich mit verschiedenen Disziplinen des Zirkus beschäftigen, eine Disziplin verstärkt einüben, sie "perfektionieren" und diese dann im Rahmen einer Aufführung präsentieren. Unser Schwerpunkt war die Jonglage mit Bällen, Poi und Devilstick. Einen großen Teil hat aber auch das Stockfechten und Stelzenlaufen eingenommen. Während Akrobatik auch seinen Platz in den Zirkusstunden fand wurden Disziplinen wir Theater und Zauberei so gut wie gar nicht beachtet. Um den Gruppenzusammenhalt zu stärken und die Stunden abwechsunlgsreicher zu gestalten haben wir viele Spiele in den Unterricht mit einbezogen. Nachdem wir die ersten zwei bis drei Monate viel mit der ganzen Gruppe gearbeitet haben bildeten sich am Ende des Semesters einzelne kleine Grüppchen die sich in ihrer Kunst, auch im Hinblick auf die Aufführung, spezialisierten.

Die Durchführung des Projektes stellte mich und die Schüler gleichermaßen auf die Probe. Wir scheiterten regelmäßig - standen aber immer wieder auf. Für mich war es das erste Projekt dieser Größenordnung. Die Arbeitbedingungen waren hervorragend. Im "Casa de Carton" sieht man die Kunst nicht als ein randständiges Beiwerk an sondern als elementare Bildungaufgabe. Es geht hier nicht um Nachmittagsbespassung sondern um Hilfe zur Selbstentwicklung. Dies wird auch durch die Anzahl der Wochenstunden deutlich, die sich mit manchen Hauptfächern vergleichen lässt. Beleuchtet man den Zirkus, oder mehr noch die Kunst im Algemeinen, unter dem Gesichtspunkt der ästhetischen Erziehung wird ihre Bedeutung in der Erziehung deutlich. Was die Kunst macht ist, dass sie den ganzen Menschen anspricht - Kopf, Herz und Hand. Es werden Geschichten erzählt, die kognitiv erfasst werden müssen, anderseits wird durch das Einüben von Kunststücke der Körper angesprochen, was ja von Bedeutung ist für die gesamte geistige Entwicklung. Die Entwicklungsprozesse in der Gruppe, das Theater und die Clownarie sprechen die Seele der Artisten an. Die Idee ist ja, so hat es der deutsche Pädagoge Hartmut von Hentig ausgedrückt, dass keine Erziehung für die Kunst geschieht, sondern eine Erziehung an der Kunst. Wir lernen nicht für den Zirkus sondern von dem Zirkus. Der Zirkus ist also nicht etwas was wir den Kinder vorsetzen sondern etwas was im Prozess immer neu entsteht. Lehrer und Schüler tragen gleichermaßen zum Gelingen des Projekts bei. Es geht nicht um eine pädagogische Inszenierung der Wirklichkeit sondern um eine gemeinsam entwickelte Wirklichkeit die pädagogisch wirken kann.

Die Semesterplanung stellte Nina und mich vor eine Herausforderung die wir jedoch gut meistern konnten. Mehr zu kämpfen hatte ich mit der spanischen Sprache. Es ist unglaublich kräftezehrend vor einer Schulklasse zu stehen und mit den Worten zu ringen. Das tragische an der Sache ist, dass man reden will, dass man Ideen hat, diese aber oft nicht ausdrücken kann.
Von den Schülern verlangt der Zirkus eine Menge an Konzentration, Geduld und Willenskraft. Worum es geht sind ja nicht in erster Linie die Kunststücke. Vielmehr geht es um die Begegnung. Zuerst mit sich selbst, seinem eigenen Körper, seinem eigenem Können und Unvermögen, danach um das Zusammenspiel mit den Klassenkameraden. Was ich den Schülern vermitteln will ist die Fähigkeit eine Sache richtig und gut zu tun, sich einem Ziel zu widmen und es mit Konzentration und Hartnäckigkeit zu verfolgen. Die Tücken der Jongliermaterialien fordern mich und stellen mich auf die Probe. Ich kann die Aufgabe annehmen oder scheitern. Man muss die guten Ideen am Schopf packen und festhalten, sonst erlischen sie wieder wie Strohfeuer. Hartnäckigkeit, so scheint es, ist in Peru eine seltene Tugend. Ich will an einen weiteren Gedanken von Hartmut von Hentig anknüpfen. Der Pädagoge und Autor hat ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: "Bewährung - über die stärkende Erfahrung, nützlich zu sein." Hier geht es ihm um den Wert der Erfahrungen im direkten Wirklichkeitszusammenhang gemacht wird. Der Gedanke findet sich in der Erlebnispädagogik von Kurt Hahn wieder oder dort wo Kinder Gärten oder Tiere pflegen. Gegenüber dem "Lernen auf Vorrat" was in der Schule oft praktiziert wird können die Kinder auch im Zirkus an den Dingen direkt lernen und sich entwickeln. Der Hamburger Professor Jürgen Funke- Wieneke führt in seinen Überlegungen über den Zirkus fort: “Um zu erkennen, wer wir selbst sind und sein können, müssen wir nicht in uns gehen, sondern – umgekehrt- aus uns heraus gehen.” Er beschreibt, dass wir in Gestalten und Objekten der Umgebung die Eigenschaften und Möglichkeiten entdecken, die auch Möglichkeiten unserer selbst sein können. “Am hüpfendem Ball entdecke ich meine eigene Springlebendigkeit, an der Katze die eigene Geschmeidigkeit, am Zauber das Geheimnisvoll- Magische meines eigenen Wesens.” Der Zirkus kann ein solches reiches Umfeld anbieten.

Natürlich rufen diese Argumente und Gedanken nicht unbedingt nur nach Zirkus. Genausogut kann eine andere der oben genannten Kunstformen zu einer ästhetischen Erziehung beitragen. Ein jeder Schüler muss sich in der Kunst seine Ausdrucksform suchen. Bei einigen ist das Malen, bei anderen Zirkus. Die Organisation des Kunstunterrichts im “Casa de Cartón” ist für mich daher beispielhaft. Nicht zu letzt ist es wichtig, dass der Lehrer in seinem Fach zu Hause ist. Leidenschaft entsteht da, wo sie geteilt und weitergegeben wird.
Was mich bei unserer Aufführung am meisten beeindruckt hat war zweifelsohne die Spannung die vor und hinter der Bühne geherrscht hat. Es ist immerwieder beeindruckend zu sehen wie sich Kinder und Jugendliche in Hinblick auf einen solchen Höhepunkt verändern. Während sich Nina mit den Schülern hinter der Bühne aufhielt war es meine Aufgabe vor der Bühne für Musik und Unterstützung zu sorgen. Wir entschieden uns für ein schlichtes Aufführungskonzept das auf viel Schnickschnack verzichtet. Es gab keinen Erzähler, wenig Kostüme, dafür aber schnell geschnittene Musik die die fließend wechselnden Zirkusnummern begleitete. Der Titel der Darbietung war “Reise durchs Universum.” Die acht verschiedenen Nummern sollten das Bild erwecken von acht verschiedenen Planeten. Nachdem 19 Schüler mit einer Stockkampfdarbietung die Show eröffneten folgte eine Poi Nummer von drei Schülern. Den Mittelpunkt bildete eine Darbietung mit Bällen und Diabolos, eine weitere Stockkampfnummer von fünf Schulerinnen, sowie eine Choreographie mit Devilsticks an der sechs Schüler beteiligt waren. Bevor die Aufführung mit einer gemeinsamen Pyramide zum Ende kommt, wird ein Stelzentanz sowie eine weitere Poi Nummer präsentiert. Gerne hätte ich die acht Nummern noch einmal gesehen da auch ich im Moment der Aufführung so unter Spannung stand, dass ich nur das wahrgenommen habe was ich unbedingt wahrnehmen musste. Das wird nicht möglich sein. Trotzdem weiß ich, und das tröstet mich, dass der Zirkus mich sicherlich auch noch in Zukunft verfolgen wird.
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von Sebastian

Fotos vom Zirkus: hier

Dienstag, 14. Juli 2009

Memory

Es ist ein nebliger Tag an dem man sich die Jacke gerne etwas fester um den Körper zieht. Ich trete ein in Flors Haus. In Deutschland würde man dies als Hütte bezeichnen: Holzwände mit Wellblechdach, 6 Personen wohnen in dem einzigen Raum. Aber die Familie ist gerade dabei anzubauen. Im kleinen Hof hinter dem Haus wurden schon Fundamente für einen weiteren Raum gelegt - hier soll mal ein zwei bis dreistöckiges Haus entstehen. Doch noch fehlt das Geld für weiteren Zement und die Eisenstangen ragen etwas verwaist aus der ersten kleinen Mauer.

Flor ist 13 Jahre alt und ihre Diagnose lautet Down-Syndrom. Sie geht Nachmittags in die Schule, die Vormittage verbringt sie oft alleine, ihre Geschwister sind in der Schule oder beim Hausaufgabenmachen. Der Vater der von Beruf aus Strassenbauer ist, arbeitet gerade in einer Mine, wie lange er fortbleiben wird, weiss keiner. Die Mutter putzt zweimal die Woche für eine Familie und verdient so das allernötigste Kleingeld für die Familie.

Heute ist die Mutter zu Hause, kniet über einer Waschschüssel und schrubbt die Wäsche. Nach einer Weile setzt sie sich zu Flor und mir an den Tisch. Wir unterhalten uns, Flor untersucht meine Hand auf Leberflecken und ich hole ein kleines Memory-Spiel aus der Tasche. Ein Werbegeschenk der Deutschen Bahn das mein Bruder mir gab. Wir spielen: Zunächst legen wir die Kaertchen mit dem Bild nach oben und suchen die Paare - ui, so viele Züge, rote, graue, grau-rote... dazwischen Papageien, Motoraeder, Sonne, Mond.
Dann drehen wir die Karten um und spielen richtig.
Die erste Runde ist schwierig, ja du darfst zwei Karten umdrehen, nein nicht drei, auch nicht so lange suchen, bis du das Gegenstück gefunden hast, ich bin jetzt dran...

Nach der dritten Runde ist klar wie das Spiel funktioniert und Flors Mutter und ich sind überrascht: Flor ist wahnsinnig gut! Sie gewinnt alle folgenden Runden locker, ich bekomme nur noch durch glückliche Zufälle überhaupt ein Paar ab und Flor scheint schon bevor sie die Karten umdreht zu wissen wo was liegt.
Ihre Mutter ist skeptisch, "sie denkt halt anders als wir" - so ihre Erklärung.

Aber dann bemerkt sie, dass sie gerade gemerkt hat, was ihre Tochter, die von allen immer schräg von der Seite angeguckt wird, alles kann. Sie grinst mich kurz an, steht auf und beugt sich wieder über ihren Waschtrog.
Flor stößt mich an: "Noch mal" und wir mischen die Karten und spielen noch mal.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Schule, Schule, zur Schule

von Nina

Die Schule für Menschen mit Behinderung liegt nahe des Rathauses von Villa el Salvador. Mit dem Bus brauchen wir 20 Minuten von Rosas Haus aus.
Wir das sind: Rosa, ihre Mutter, ein Nachbarskind, ich und noch eine andere Freiwillige. Und was wir wollen: Das Rosa auf diese Schule gehen kann!
Im Schulhof müssen wir warten und schauen uns um. Von Mauern umgeben bietet die Schule ein recht schönes Bild aus Grünflächen und Gebäuden. Nachmittags gibt es zwei Handwerksstätten, dort werden Ketten, Armbänder und Handyaufhänger hergestellt. Die Jugendlichen in den Werkstätten arbeiten mit Zange, Draht und Perlen - kann Rosa bei einer dieser Werkstätten mitmachen?

Wir werden zum Schulpsychologen gerufen. Eine harte Fragestunde beginnt. Rosas Mutter ist so nervös, dass sie nicht mehr das Geburtsdatum ihrer Tochter weiss. Die Situation ist angespannt, Rosa dem Weinen nah, als der Psychologe erklärt, dass seit Beginn des Jahres nur noch Kinder mit mehrfacher Behinderung die Schule besuchen dürfen. Anweisung vom Staat.

Als Rosa fünf war, hatte sie eine Krankheit und kann seitdem ihre Hand nicht mehr richtig bewegen, dazu kommt, dass sie sich wenig merken kann. Jetzt ist Rosa 16 Jahre alt und seid sie acht ist nicht mehr zur Schule gegangen. Die staatliche Schule wollte sie nicht mehr, da sie nicht Lesen und Schreiben lernen konnte.

Der Psychologe fragt die Mutter, ob sie nicht nach einer anderen Schule gesucht hätten: "Nein".

In solchen Momenten bin ich ein leidenschaftlicher Verfechter der Schulpflicht. Wie kann es sein, dass Eltern ihre Kinder einfach zu Hause behalten dürfen? Wie kann es sein, dass sie nicht nach Möglichkeiten suchen, sondern etwas akzeptieren, was noch lange nicht akzeptiert werden muss?
Ja natürlich weiss ich, dass in Deutschland die Schulpflicht ein umstrittenes Thema ist und wie überhaupt sollte in Peru so etwas um- oder durchgesetzt werden?

"Los niños solo son prestados" - Die Kinder sind nur geliehen... sie gehören uns nicht, wir können mit ihnen nicht machen was wir wollen...

Da stoße ich an den schwierigen Punkt, wie weit sich der Staat mit seinen Gesetzen in das Familienleben einmischen darf. In Deutschland habe ich viele Diskussionen darüber gelesen. Wann darf das Jugendamt eingreifen, was sollen Sozialarbeiter machen und was ist mit Pflichtuntersuchungen für Kinder?
Fragen die in Deutschland auftauchen, die hier nicht gestellt werden können, da es weder Jugendamt noch Sozialarbeiter gibt. Und Pflichtuntersuchungen? Gerade jetzt ist der Staat dabei eine Krankenversicherung für Menschen mit wenig Geld bereitzustellen, damit diese eher schlecht als recht, aber wenigstens überhaupt zum Arzt gehen können, wenn sie krank sind. Aber gesunde Kinder?
Über die genaue Arbeit des Jugendamtes mag man in Deutschland streiten, nicht aber darüber, ob eine solche Einrichtung generell notwendig ist. Der Staat soll eingreifen, wo Familienstrukturen versagen.

Das Gespräch ist beendet. Der Psychologe geht raus, spricht mit der Direktorin, wir bleiben zurück und warten - ich bin mir nicht mehr so sicher. Warten, wir machen irgendwelche blöden Witze, um die Anspannung nicht ins Unendliche wachsen zu lassen.

Warten - wird es klappen?

Der Psychologe kommt zurück,
setzt sich, wir starren ihn an
-
"sie kann bleiben".

Ich halte den Atem an und fange an zu verstehen, was er da gerade sagt. Ich schaue in die Runde. Dieser Gesichtsausdruck, wenn man nicht genau weiss, ob jemand weint oder lacht. Dankbarkeit, Erleichterung.

Der Psychologe erklärt uns das weitere Vorgehen. Die Schule ist umsonst, nur das Fahrtgeld muss von den Familien getragen werden und Rosa braucht einen Ausweis. Da sehe ich schon wieder die ersten Hürden. Wie soll die Familie die 80 Sol im Monat aufbringen, die für den Transport nötig sind?
Vielleicht muss ich jetzt auch einfach aufhören zu fragen und mich freuen: Rosa wird zur Schule gehen! Einfach hoffen, dass alles klappt und das sich irgendwann, Schritt für Schritt auch das ganze Land in diese Richtung wendet.

Für heute verlassen wir das Schulgelände. Was bleibt ist eine völlig erschöpfte Mutter und einen strahlende Rosa. Ihre Augen leuchten - genau wie meine.

Montag, 15. Juni 2009

Junio

von Nina

1925 war Lima noch so groß wie Freiburg, mit 220.000 Einwohnern. Heute wohnen hier mehr als 8 Millionen Menschen, genau weiss es keiner. Wenn ich auf Wikipedia über Lima lese, finde ich nicht die gewohnten Bilder, sondern Kolonialbauten und moderne Hochhäuser. Das ist also das Bild, was von Lima verbreitet werden soll. Vielleicht zutreffend, da das auch das Bild ist, was die meisten Menschen, die Lima besuchen, erleben.
Von Osten aus den Anden fließt der Fluss Rimac nach Lima. Bevor er Lima erreicht, fließt er an 27 Minen vorbei und wird etliche Male zur Stromgewinnung genutzt.. Kaum erreicht er Lima wird der komplette Fluss in eine Stromgewinnung- und Trinkwasseraufbereitungsanlage geleitet - doch wie lange wird das noch so gehen? Berechnungen sagen, dass der Gletscher der den Rimac speist noch bis 2015 existieren wird.

Und dann?

Darüber scheinen sich hier eher weniger Leute zu sorgen. Der Präsident, Alan Garcia, hat jetzt erstmal mit seinem Programm "Agua para todos" allen in den nächsten Jahren Wasser versprochen. Ob es ALLE werden werden ist fraglich, aber es wird eifrig gebaut, Wasserleitungen, Wassertanks, Wasserpumpen, Wasserhähne. Im Moment verbrauchen die Menschen die in den Randbezirken bisher ohne Wasseranschluss leben zehn mal weniger Wasser als die Menschen in der Stadt. Dafür zahlen die zehnmal mehr für ihr Wasser, da es im Tankwagen geliefert wird. Sind die Wasserleitungen einmal verlegt und angeschlossen, bleibt der Geldbetrag den die Menschen für Wasser ausgeben meist gleich - nur die verbrauchte Wassermenge verzehnfacht sich...

Natürlich ist es keine Lösung die Menschen am Rande Limas einfach nicht ans Wassernetz anzuschliessen, damit sie weniger Wasser verbrauchen. Hier wird eifrig darüber diskutiert, ob es ein Recht auf Wasser gibt. Alle brauchen Wasser, dass ist klar, aber was es bestimmt nicht gibt, ist ein Recht darauf, Wasser zu verschwenden.

Vielleicht sind auch Lösungen in Sicht: im Rathaus von Lima wird über Trockenklos als Alternative nachgedacht - die ersten Modellklos werden bereits gebaut.

Vor einigen Wochen war ich bei einem Vortrag auf dem eine neue Erfindung für saubere Luft vorgestellt wurde: Der Superbaum! Das Logo stellt ein grossen Baum mit Gesicht dar, der seine Arme in die Hüften stützt. Allerdings geht es nicht wirklich um einen Baum, sondern um einen Maschine, die alle möglichen Partikel aus der Luft zieht, mit Hilfe eines Wasserfilters. Auch mehr Sauerstoff sei am Ende in der Luft. 400 solcher Maschinen sollen nun an den schlimmsten Kreuzungen in Lima aufgestellt werden. Aus der vier Meter hohen Maschine fuhrt ein Schlauch in einen kleinen Bushäusschen ähnlichen Glaskasten. Dort kann man sich reinstellen und fortan saubere Luft atmen. Eine Pause nehmen von der verschmutzten Abgas-Luft.

Der Referent erzählte, dass das Pflanzen von echten Bäumen zwar nett sei, da sie Sauerstoff produzieren, die richtig gefährlichen Stoffe allerdings, nämlich die Staubpartikel, nicht aus der Luft zögen. Diese Maschine scheint die Revolution überhaupt zu sein, wenn das stimmt - schön. Allerdings fragte ich mich während des ganzen Vortrags, warum so viel Zeit darauf investiert wird, die Staubpartikel am Ende aus der Luft zu ziehen - weshalb fängt man nicht andersrum an und beginnt die Autos mit Filtern auszustatten. Verhindern, dass die Partikel überhaupt in so einer großen Zahl in die Luft kommen. Prävention...

Mir kommt es so vor, als ob viele Diskussionen über Umweltschutz, Gesetze und mehr, die in Deutschland schon seit langem geführt werden, hier erst in den Kinderschuhen stecken. Vielleicht gehen sie auch einfach zwischen zu vielen Liebesliedern und Reis mit Hühnchen verloren. Vieles kommt mir unreflektiert vor. Manchmal kann ich nur mit dem Kopf schütteln, so zum Beispiel als ich gestern an einer riesigen Werbetafel vorbeifuhr auf der stand: "5. Juni Tag der Umwelt: Der Planet braucht uns"

Wenn das die hier vorherrschende Meinung ist, dann wird mir einiges klar.

Noch ein anderes Thema: Gerade können wir hier Waldpolitik live und in schlimmsten Ausmaß miterleben: Vor einiger Zeit hat Peru einen Freihandelsvertrag mit den USA unterschrieben. Dieser Freihandelsvertrag schreibt vor, dass Peru sich öffnen muss und bestimmt Ressourcen zugänglich werden müssen für Firmen. Daraufhin hat Peru seinen Amazonasregenwald "verkauft" und durch ein Gesetz möglich gemacht, dass sich Firmen Konzessionen kaufen können, um fortan Bodenschätze, Holzvorräte sowie Pflanzen und Tiere auf der Fläche "nutzen" können. Für Peru hat das den Vorteil, dass es einerseits viel Geld gibt, das Fläche, die für den Staat im Moment wenig Verwendung hat, genutzt wird und außerdem, dass das Holz, das im peruanischen Regenwald geschlagen wird, endlich eine vermeidlich legale Herkunft hätte.

Nur - eine Sache hat der peruanische Staat dabei vergessen: Im Regenwald leben Menschen! Und zwar nicht wenige, und diese Menschen haben - sogar per Gesetz festgeschrieben - Mitspracherechte! Sie dürfen mitentscheiden, wenn es um ihr Land geht. Natürlich waren die Waldbewohner (Indígenas) nicht einverstanden mit dem Gesetz während es allen anderen ziemlich egal zu sein schien. Nach friedlichen Protesten, Versuchen der Kommunikation ist die Situation letzte Woche eskaliert und es kam zu Kämpfen zwischen Indígenas und Polizei. Es gab zahlreiche Tote, Straßen wurden blockiert, die Titelblätter sämtlicher Zeitungen waren rot. Was vorher keinen interessiert hatte, war nun Thema Nummer eins. "Barbaren", "Wie können sie nur", "Kulturlose" - so wurden die Indígenas beschimpft. Kaum eine der Zeitungen machte sich die Mühe mal die Hintergründe zu beleuchten, im Gegenteil, es war einen wunderbare Möglichkeit Vorurteile zu bedienen und die Indígenas einmal mehr als Steinzeitmenschen darzustellen.

Mittlerweile hat sich die Regierung dazu bequemt noch mal über die Situation nachzudenken, das Forstgesetz wurde erstmal ausgesetzt und wird jetzt neu verhandelt - dieses Mal vielleicht unter Einbezug der Bewohner des Waldes? Ich hoffe es.

Abseits von den politischen Mysterien die hier in großer Zahl auftauchen, bleibt auch der Alltag spannend: So frage ich mich zum Beispiel warum ein schwarzhaariger Mensch sich die Haar schwarz färbt - wie zum Beispiel eine Schülerin vom Zirkus - und am Ende auch noch wirklich anders aussieht - irgendwie schwärzer...

Nun ja, einiges was ich wohl nie verstehen werde, aber auch wir sind für viele Kinder hier ein großes Rätsel. "Siehst du durch deine Augen eigentlich alles blau?"

... mmmh, und du alles braun?


Und zum Schluss noch was zu uns: Alles gut ; )

Für Fotos klickt hier

Und hier einen interessanten Artikel zu Plastikmüll.

Dienstag, 9. Juni 2009

Ecken von Barranco

Damit ihr auch mal seht, dass es sehr schöne Ecken in Lima gibt, bekommt ihr hier mal eine Auswahl von Orten in Barranco.
Barranco ist eines der ältesten Viertel von Lima, und entsprechende Häuser gibt es.
Aber seht selbst, hier.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Projekte auf betterplace.org

Hola ihr lieben Leute!

Kennt ihr eigentlich betterplace.org?

Wenn nicht ist es höchste Zeit es kennen zu lernen!
Seit heute haben wir nämlich zwei Projekt auf Betterplace!
Also, was ist das denn überhaupt?

Betterplace.org ist eine Seite auf der jeder seine Projekte präsentieren kann. Auf der ganzen Welt und zu jedem Thema. Wer ein Projekt auf der Seite präsentiert, erzählt also ein bisschen darüber, um was es geht, was erreicht werden soll - und auch, was zum Gelingen des Projektes noch gebraucht wird. Andere lesen dann über dieses Projekt, finden es toll und spenden dafür. Diese Form des Spendens ist viel direkter als einer großen Organisation zu spenden, da das Geld direkt in ein konkretes Projekt fließt. Jeder kann direkt nachfragen bei den Verantwortlichen des Projektes und es gibt Fotos und Berichte wie das Projekt voranschreitet.

Ich finde es ist eine tolle Seite - darum habe ich sie jetzt genutzt, um dort zwei Projekte zu präsentieren, in denen ich hier arbeite.

http://www.betterplace.org/projects/1493 - Hier findet ihr das Projekt über die Hausbesuche bei Familien mit behinderten Kindern.

http://www.betterplace.org/projects/1507 - Hinter diesem Link steht das Nebelfängerprojekt.

Achtung: Ich schreibe euch das nicht, weil ich möchte, dass ihr für diese Projekte spendet, sondern vielmehr darum, weil ihr so über die Projekt lesen und Fotos sehen könnt und so ein bisschen mehr Einblick habt, was ich hier eigentlich so mache in Peru ; )

Wer Lust hat, kann sich einen Account bei betterplace.org machen und die dort Projekte bewerten. Wer die Projekt vor Ort kennen gelernt hat, kann sich auch als Besucher, bzw Fürsprecher eintragen. So wird gewährleistet, dass es sich um "echte" Projekte handelt.

Wenn ich Zeit habe, werde ich auch noch versuchen, die Projekt auf Englisch zu übersetzen. Betterplace.org ist ein Seit die aus Deutschland kommt. Die meißten Spender kommen auch aus Deutschland, darum habe ich erstmal mit einer Projektbeschreibung auf Deutsch angefangen.

Sonnige Grüße, Nina

Donnerstag, 23. April 2009

Das Bild der Armut

von Nina


Wenn eine Gegend arm aussieht, dann werden Menschen darauf aufmerksam. Wenn Muell herumliegt, die Kinder mit toten Hunden spielen und alles grau und dreckig ist, dann kommen Organisationen und besuchen die Familien.

Sie gucken in die Haeuser und wenn sie auch dort viel Dreck, schmutzige Klamotten und Muellberge sehen,
dann ist klar: Hier muss etwas passieren.

Sie fragen die Menschen, ob sie Baeume geschenkt haben wollen.
Diese nicken.

Ein paar Wochen spaeter veranstaltet die Organisation einen "Arbeitstag". Alle helfen mit, raeumen den Muell und die toten Hunde woanders hin, pflanzen Baeume.

Fuer einen Moment erstrahlt das Viertel, gruen statt Muell.

Die Tage gehen ins Land, der Muell sammelt sich wieder an, die Baeume vertrocknen. Menschen werden auf das Viertel aufmerksam.
Kinder spielen mit toten Voegeln.
Frauen zuechten Fliegen unter Kuechenabfaellen.

Helft uns doch, wir sind so arm,
seht ihr das nicht?



Oder: Warum die Menschen glauben, dass sich selbst helfen ihnen mehr schadet als nuetzt.

Ein Blick im April

von Nina

Was ich hier mache ist ein Zwischending zwischen Sozialarbeiter - wissenschaftlicher Berater - Beobachter - und Zirkuslehrer, und viel mehr, aber mal in Worte gefasst, sind das vielleicht die Hauptsachen.
Ich bin in den Familien, hoere den Menschen einfach zu, spiele mit den Kindern, mache Ausfluege mit ihnen. Ich habe einfach Zeit bei ihnen zu sein und erfahre einen Menge ueber Familienleben, die Situation der Menschen vor Ort.
Gleichzeitig erzaehle ich ihnen von moeglichen Loesungen, installiere Ecosilos und Pflanzenklaeranlagen, helfe beim Bau von Trockenklos und lerne ueber Baeume in Lima und Nebelfaenger.
Oft beobachte ich einfach, was um mich herum passiert, wie Menschen auf was reagieren.

Einige Tage der Woche bin ich in der Schule "Casa de Cartón" und mache dort mit Sebi zusammen Zirkusgruppen. Vier Gruppen haben wir, alle voellig verschieden und so lerne ich sehr viel waehrend ich mit Sebi ueber die Kinder /Jugendlichen spreche und wir ueberlegen, wie wir wem begegnen koennen. Die Kinder bringen mich teilweise ins Schwitzen, aber ein Intensivkurs in "Erziehung" koennte nicht besser sein!
Und auf die Dinge aus der Eos-Ausbilung kann ich auch zuruckgreifen. Es macht richtig Spass!

Sehr vielfaeltig sind die Tage und ich fuehle mich wohl.

Zeit zum Salsa lernen ist auch noch. Beim Mittwochsabend Gratiskurs sind wir schon fast Stammgaeste, aber ich finde es immer noch schwer. Salsarhythmus habe ich noch nicht so im Blut und mein Mund steht offen, wenn ich den Profis zugucke. Wahnsinn!!

Und nie gleich - oder kommt mir das als Laie nur so vor?

Wie die Menschen sich beim Tanzen bewegen, ist jedenfalls beeindruckend und nicht nur ich starre bisweilen vollkommen fasziniert auf ein tanzendes Paar, sondern manchmal schaue ich mich um und bemerke, dass es der Mehrheit im Saal aehnlich geht und viele gerade den Blick fest an die Tanzenden geheftet mitschwingen zur Musik und dem verworrenen Salsabeat.

Krishna Krishna

von Nina

Ueber Ostern haben wir eine oekologische Kommune noerdlich von Lima kennen gelernt. Dort leben ca. 30 Menschen zusammen als praktizierende Hare Krishna Anhaenger.

Wir haben uns gleich sehr wohl gefuehlt, auf diesem gruenen Gelaende mit Biogarten und Kompostklos, zwischen dem Tempel und den vielen sehr interessanten Gespraechen ueber diese Religion.



Es ist schon erstaunlich was fuer eine Energie frei wird, wenn so viele Menschen auf einmal das Mahamantra singen: Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare, Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare.

Das Mantra wird gesungen, getanzt, gefeiert...

Jeder von den Hare Krishnas rezitiert dieses Mantra 108 x 16 mal am Tag.

Vielleicht ist es genau das, was mich auch wieder ein bisschen von dieser Religion abschreckt...


Mehr Fotos findet ihr hier.

Montag, 6. April 2009

Strandreiten

von Nina

Flor will nicht absteigen. Eine Stunde sind wir zusammen am Strand entlang gegangen. Sie, Rosa und Renzo hoch zu Ross und ein Gefolge zu Fuss neben- und hinterher. Ein ganz besonderer Tag!

Heidi, eine Reittherapeutin, hatte uns eingeladen, mit einigen der Kinder, die wir in Villa el Salvador besuchen, vorbeizukommen.

Es war sehr aufregend: Die Vorfreude war riesengross - wie werden reiten gehen! Und als Johannes und ich morgens um halb acht auf der Matte stehen, um die Kinder abzuholen, sind diese bereits fix und fertig zum Abmarsch. Zusammen mit den Muettern der drei, sowie einem Bruder machen wir uns auf den Weg, steigen die zig gelben Treppenstufen hinunter von dem Sandberg der sich Oasis nennt und das Zuhause der Familien ist.

Unten verlaeuft die Panamericana, wir steigen in einen Bus und fahren einige Kilometer und laufen dann den Rest bis zum Strand. So viele Pferde treffen wir schon auf dem Weg - ganz Lima scheint hier Pferde zu haben. Die meisten Pferde sind riesengrosse Vollblueter, aber fuer uns stehen drei kleine, sehr zahme Pferde bereit.

Heide ist spezialisiert auf Reittherapie mit behinderten Kindern und die Umgebung hier bietet wunderschoenen Raum dafuer. Helme auf und los geht es, durch den Sand hinunter zum Meer, die Pferde moegen, wenn ihnen das Wasser um die Fuesse streicht.




Waehrend Flor sich von Anfang an wie eine Koenigin im Sattel fuehlt, dauert es bei Rosa laenger. Sie kann sich nur mit einer Hand festhalten und braucht ein Weilchen bis sie den Rhythmus des Pferdes uebernimmt. Ebenso Renzo, er ist unruhig und entspannt sich erst als Heidi mit zu ihm aufs Pferd steigt. Zusammen geht es viel besser.

So reiten und laufen wir dahin, begleitet von zwei Hunden, die sich Kaempfe mit Krebsen liefern und uns bewachen. Der Strand ist endlos, mit vielen Moewen, so viel Sonne, so weichen Pferden und so gluecklichen Kindern. Die Muetter laufen hinterher, unterhalten sich, planen, was sie bald zusammen unternehmen koennten - vielleicht in einen gruenen Park fahren? Was fuer ein schoener Nebeneffekt. Nicht nur die Kinder entdecken etwas neues, sondern auch fuer die Muetter scheinen sich neue Moeglichkeiten zu ergeben. Warum nicht einfach mal wohinfahren, heraus aus der Sandwelt Oasis?

Die Stunde ist um und mit Moehren bedanken wir uns bei den Pferden.
Normalerweise ist so eine Reittherapiestunde sehr teuer, aber Heidi hat sie uns geschenkt. Sie erzaehlt, dass sie es als grosses Problem empfindet, dass vor allem die Kinder mit Geld gefoerdert werden, waehrend Kinder aus aemeren Verhaeltnissen ihr Potenzial nicht ausschoepfen koennen.
Aber Reiten ist nicht billig, da Pferdehaltung in Lima sehr teuer ist. Da es keine Wiesen gibt auf denen die Pferde einfach grasen koennten, muss alles Futter gekauft werden. Heu aus den Anden, Trockenfutter.
Wenn man sich ueberlegt, dass zwei der drei Kinder die mit beim Reiten waren nicht mal zur Schule gehen, weil es zu teuer ist (ca. 10 Euro mit Jahr, plus Schuluniform, Hefte,...), dann wird klar, dass Reittherapie ausshalb jeglicher Reichweite liegt.
Fuer uns und die Kinder war dieser Reittag ein grosses Geschenk, noch lange wird davon erzaehlt werden. Und wer weiss, vielleicht haben wir irgendwann noch einmal die Moeglichkeit ein Stuendchen mit den Pferden zu verbringen.
Auf dem Rueckweg zur Panamericana laufen wir durch einen anderen Reitclub. Dort gibt es einen See mit glasklarem Wasser. Ooooh, so viel Wasser, die Kinder sind begeistert, laufen hin, wollen es beruehren. Und da schwimmen sogar Fische drin! Guck mal, ich sehe den Grund!

Vielleicht ueberrascht so eine Freude ueber einen See, aber wenn man bedenkt, dass in Oasis Wasser nur in Tonnen existiert die mit dem Schlauch aus dem Tankwagen aufgefuellt werden, versteht man, was fuer ein grosses Wunder es ist, wenn da auf einmal ein ganzer See mit Wasser gefuellt ist.

So viel Wasser - wieso hat es noch keiner ausgetrunken?
Hier noch ein paar Bilder:
Reiten I-Seite

Montag, 30. März 2009

Fotos von Trockenklos

Heute war ein heisser Tag, noch scheint der Sommer nicht zu Ende zu gehen. Gut so!

Hier sind nun endlich einige Fotos von einem Trockenklo, damit ihr es euch besser vorstellen koennt. Es ist so, dass der Urin vom Rest getrennt wird, durch einen speziellen Klositz. So kann der Urin als Duenger genutzt werden und der Rest trocknet und wird spaeter noch kompostiert. Allerdings ausserhalb des Klos.
Heute ist bei uns das Wasser bei uns in der Wohnung ein Weilchen ausgefallen, da waer ein Trockenklo schon was feines. Sonst stinkt es naemlich - nicht so beim Trockenklo!

Fuer Fotos klickt hier drauf:
Trockenklos I-Seite

Sonntag, 15. März 2009

Nebelfaenger und Trockenklos

von Nina

Heute waren wir zusammen mit Anne und Kai, die das Nebelfaengerprojekt betreuen, in Quebrada Alta, einem Randbezirk von Lima. Dort war heute Stichtag, um einen Nebelfaenger zu bekommen, mussten die Leute dort bis heute eine Wasserspeichergrube ausgehoben haben. Jetzt in der Trockezeit ist es schwer vorzustellen, aber ein Nebelfaenger soll im Winter 600 Liter Wasser am Tag aus der Luft auskaemmen. Mehr als so eine Gemeinschaft braucht. Genug um Gaerten anzulegen fuer Gemuese und anderes Gruen.
Frueher waren die Huegel um Lima herum mit Baeumen bedeckt, die als natuerliche Nebelfaenger dienten und so den Huegel und sich selbst bewaesserten. Durch den rasanten Wachstum Limas, verschwanden diese Oekosysteme voellig, die Huegel trockneten aus.
Mit dem Nebelfaengerprojekt soll dieses Oekosystem nun wieder begruendet werden. Erst mit kuenstlichen Nebelfaengern die Wasser auskaemmen um so Baeume bewaessern zu koennen, die spaeter wieder die Nebelfaengerfunktion uebernehmen sollen. Zusaetzlich wird Wasser in Speicherbecken gesammelt, um die Menschen unabhaengiger von den Wasserlieferungen mit dem Tankwagen zu machen.

Nebelfaenger der Nachbargemeinde

Es ist toll zu sehen, wie motiviert die Menschen sind. Strahlende Gesichter und eine begeisterte Dankesrede an Anne und Kai: Die Grube ist gross genug, das Projekt wird weitergehen.
In den naechsten Wochen wird nun das Betonbecken gegossen, danach werden die Nebelfaenger aufgestellt. Zu Beginn der Nebelzeit im Juni soll alles fertig sein.
Und die Menschen haben es selbst gemacht, haben in schwerer Arbeit die Grube in den steinigen Boden geschlagen und bewiesen, dass ihnen diese Art der Wasserversorgung wichtig ist.

Ungefaehr 80% der Einwohner Limas sind ans Wassersystem angeschlossen. Oft gibt es allerdings nur einige Stunden am Tag Wasser. Ein grosses Problem von Lima ist nicht nur die Wasserversorgung, sondern auch die Abwasserentsorgung. Ca. 15% der Abwaesser werden geklaert, der Rest wird ohne irgendeine Form der Behandlung ins Meer geleitet. Und auch in den bestehenden Klaeranlagen ist der tatsaechliche Erfolg der Klaerung fragwuerdig. Kein Wunder also, dass das Meer vor Lima zu den am staerksten verschmutzten der Welt gehoert.



Dreckfahne im Wasser

Dabei gibt es Loesungen dafuer. Pflanzenklaeranlagen hatte ich schon erwaehnt. Eine weitere geniale Moeglichkeit sind Trockentoiletten.
Heike war heute auch mit dabei. Unterstuetzt durch die GTZ ist ihr Ziel in drei Jahren 300 Trockentoiletten in Lima zu bauen. Vor allem in Bezirken wo es noch kein fliessend Wasser gibt sieht sie Aussicht auf Erfolg. Diese Toiletten funktionieren aehnlich wie Komposttoiletten ohne Wasser. Geruchsfrei und mit Duenger als Endprodukt. So koennten in den wasserlosen Gebieten Limas hygienische Baeder installiert werden, aber auch in Gebieten mit Wasseranschluss, koennte durch diese Technik weniger Abwasser produziert werden.
Immer mehr Menschen begeistern sich fuer diese Art der Toiletten und vor allem Frauen und Kinder wuerden so unterstuetzt. Erst heute sagte uns der Gemeindevorsteher von Quebrada Alta, dass 80% der Kinder an Magenkrankheiten leiden, vor allem wegen der unhygienischen Umstaende der bestehenden Toiletten. Diese Toiletten bestehen aus einem Loch im Boden, abgedeckt mit einer Platte. Darauf steht ein Haeusschen. Ist das Loch voll, wird an einer anderen Stelle ein neues Loch gegraben und das Haeusschen draufgesetzt.
Quebrada Alta allerdings liegt an einem steilem Hang. Die Fluessigkeit aus der Toilette sickert durch den sandig-steinigen Hand und tritt unten wieder zu Tage, oder wird sichtbar an den nassen Haeuserwaenden, der in den Hand gebauten Huetten.
Mit Trockentoiletten waere dieses Problem geloest.

Hier noch einige Bilder:

Lima I-Seite

Donnerstag, 12. März 2009

Limasommer

von Nina

Sommer in Lima. Die meissten Tage scheint die Sonne, es ist warm. Wunderschoene Sonnenuntergaenge an der Kueste und jeden Tag T-Shirt Wetter. Noch ca. einen Monat, dann faengt der Winter an. Winter bedeutet hier, dass Nebelschwaden die Sonne verdecken und es etwas kuehler wird. 

Schon einen Monat sind wir jetzt in dieser riesigen Stadt, lernen immer mehr von ihr kennen. Unser Haeusschen ist dicht am Meer, mitten in der Stadt an einem kleinem Park. Wir haben richtig Glueck gehabt, mit der Wohnung und den Menschen im Haus.

Blick auf unser Haus durch den Park (Orange ist es)

Nahe bei gibt es mehere groessere Strassen auf denen wir bis heute noch nicht das Busgewirr verstanden haben. Die Menschen von hier allerdings auch nicht. Einen Busfahrplan gibt es nicht, allerdings kann man davon ausgehen, dass ueberallhin Busse fahren. Wie mit allem anderem auch in Lima: Es gibt alles, man muss es nur finden ; ) Fragen bringt einen meisstens weiter, ob in die richtige Richtung ist nicht immer so sicher... 
Busse gibt es in allen Groessen, draussen drauf steht geschrieben, wo sie langfahren, ausserdem hat jede Route eine andere Farbe und Nummer. Der Fahrer versucht sich durch schnelles Gasgeben und Abbremsen durch das Verkehrgewuehl zu schlaengeln. Manchmal frage ich mich, ob es mutig ist, sich in einen Bus zu setzen oder einfach nur wahnsinnig. 
In der Tuer vom Bus steht der "Cobrador" - der Mensch der die Tuer bei jeder Gelegenheit aufreisst, die Route des Buses aus voller Kehle den Wartenden zubruellt und die Fahrgaeste im Bus abkassiert. Der Preis ist meist festgelegt, manchmal Verhandlungssache. 
Seit kurzem gibt es Haltestellen an den grossen Strassen in Lima. Offiziell ist es nun verboten ausserhalb dieser Haltepunkte zu halten. Wegen den Strafgeldern wird dies teilweise auch eingehalten, was den positiven Effekt hat, dass der Bus etwas schneller vorankommt, da er nicht mehr an jeder Ecke haelt, sondern nur noch an jeder zweiten.. 
In anderen Laendern kann man davon ausgehen, dass man mit den oeffentlichen Verkehrsmitteln recht gradlinig an sein Ziel kommt. Davon ist hier keine Spur. Die Busse fahren alle erdenklichen Schlaengel durch die Stadt. Kein Wunder also, dass die Mehrzahl der Menschen aus Lima jeden Tag mehrere Stunden im Bus verbringt. 
Da das Bussystem nicht zentral organisiert, sondern in viele kleine und Mini-Unternehmen aufgeteilt ist, versucht jede dieser Busgesellschaften die besten Routen mit den meissten Fahrgaesten zu ergattern. In der Innenstadt zum Beispiel gibt es bestimmte Strassen, wo fast alle Busse durchfahren. Bei mehreren hunderten Bussen ist das ein Problem und die Folge: Vorankriechen und endloser Stau. Ob es dadurch mehr Fahrgaeste gibt, bezweifel ich... 

Meine Arbeit macht Spass und ist sehr vielfaeltig. Sebi ist in der Schule mit Garten- und Zirkusprojekt gut beschaeftigt und kaempft sich durchs Spanische. 
Einige Tage in der Woche bin ich auch in der Schule, helfe beim Zirkus und geniesse die angenehme Atmosphere dort, einen schoenen gruenen Garten, Lehrer wie Schueler sprechen sich beim Vornamen an und es scheinen andere Werte zu herrschen als in der "Normalwelt Lima".

Andere Tage bin ich in Villa el Salvador unterwegs, einem Randbezirk von Lima, besuche dort Familien mit behinderten Menschen und bin erstaunt, wie schnell Veraenderung hier funktioniert. 
Behinderte haben in der Gesellschaft hier noch weniger Platz als in Deutschland. Viele behinderte Kinder verbringen die meiste Zeit des Tages alleine zu Hause, haben keine Aufgabe und keine Spielgefaehrten. 
Zusammen mit noch einem Deutschen besuche ich einige Kinder, verbringe Zeit mit ihnen, lerne ihre Lebensumstaende und ihren Stadtteil kennen. Neulich haben wir Beete mit den Kindern angelegt, ein paar Blumen gepflanzt. Es ist toll zu sehen, wie die Kinder aufbluehen, mit wie viel Hingabe sie sich um die Pflanzen kuemmern. Und mehr Kinder kommen hinzu, wollen auch Pflanzen bei sich am Haus haben. Erwachsene sprechen uns an, wie positiv sie die Veraenderung in Richtung Gruen finden. Die Gespraeche mit den Menschen sind spannend, wie sie leben, woher sie kommen. Die Pflanzen oeffnen uns die Haeuser und die Seele der Menschen. Jeder Besuch dort ist anders, aber jedes Mal lerne ich ein Stueckchen mehr. Das Potenzial dort mit den Menschen zusammen Sachen zu veraendern ist riesig. 
Es gibt so viele tolle Moeglichkeiten die genutzt werden koennten, um die Stadt gruener zu machen und das Leben gesuender. Ecosilos (ein Kompostsystem) sind eine davon. Pflanzenwasserfilteranlagen eine andere. Es ist faszinierend was mit diesen Filteranlagen alles moeglich ist. Ich habe eine Schule kennengelernt, dort wird das ganze Abwasser in die Pflanzenfilteranlage geleitet und danach zum Bewaessern des Schulgelaendes genutzt. Alles gruent und blueht. 
Ganz Lima koennte nur mit Abwaesser begruent werden! Aber noch stehen zu viele Machtinteressen im Wege. 

Viel Entwicklungshilfe fliesst nach Lima. Viel wird den Menschen geschenkt, viel davon brauchen sie nicht. Ich versuche zu dokumentieren, wie Geld hier ankommt, in Projekte fliesst und schliesslich versackt. 
"Schau der Wahrheit ins Gesicht, bis sie dich anschreit - und dann schrei zurueck." 
Ich schaue und es gibt viel zu sehen. Sehr viel. Wenn man nur mal aufhoert zu denken, dass Hilfe immer gut ist und die Menschen hier zwangslaeufig arm.

Unter diesem Link findet ihr einen Artikel ueber Lima.


Und hier noch einige Fotos von Lima:
Lima I-Seite

Freitag, 6. Februar 2009

Anden

von Nina

Seid etwa zwei Wochen radeln wir durch die Anden. 
Es macht Spass, es ist toll, anstrengend und voellig anders als an der Kueste entlang zu fahren.
 Abgebogen von der Panamericana sind wir in einen staubigen Weg, ueber Schotterpisten die stetig, aber nicht zu steil anstiegen erreichten wir die erste Doerfer. Immer entlang des Río Santa, einem maechtigem Fluss, der sich zwischen Cordillera Blanca und Cordillera Negra entlangwindet. So viel Wasser und doch so trocken. 

Erst ab 1.500 Metern wird es langsam gruener, kuehler, regnerischer. Jetzt ist Regenzeit in den Anden, und spaetestens ab Nachmittags schuettet es. Mal mehr mal weniger. Baeche fliessen auf der Strasse, ja die Strasse selbst verwandelt sich in einen Bach. Weisse Bergspitzen tauchen auf, wir radeln am hoechsten Berg Perus, dem Huazcarán mit ueber 6.700 m, vorbei. 
Die beiden Cordilleras sind nach dem Himalaya die hoechste Gebirgskette der Welt, etliche Sechstausender und ueber 600 Gletscher! 

Die Orte unterscheiden sich sehr, je hoeher wir kommen, desto gruener wird es. Wir durchqueren winzige Doerfer in denen Blumen in allen Farben strahlen, wunderschoen. 
Die Frauen in den Andendoerfer tragen zum grossen Teil traditionelle Kleidung. Ein Hut auf dem Kopf, die langen schwarzen Haare zu Zoepfen geflochten, eine Vielzahl von Roecken uebereinander, ein leuchtendes Tuch um den Ruecken geschlungen, aus dem oft ein Kind herausschaut. Vor allem in kleinen Orten herrscht ueberall Geschaeftigkeit: Felder werden bestellt, Tiere zum Weiden gebracht, Maenner reiten in Ponchos umher, und Kinder begruessen uns in selbstgestrickten Pullis. 
Ab 3.500 m wird die Landschaft kahler. Weite Wiesen dehnen sich auf dem Berghaengen aus, kaum noch Baeume. Zwei Frauen sprechen uns auf Quechua an. Ihre Augen strahlen. In Spanisch erzaehlen sie uns, dass sie gerade Kartoffeln vom Feld geholt haben, und zeigen auf ihren Ruecken, wo sich eingeschlungen in bunte Tuecher anscheinend sehr viele Kartoffeln verbergen. "Wie ihr", sagen sie, "ihr habt auch viel zu tragen." 
Oft sind die Menschen auch schuechtern, betrachten uns skeptisch. 

Leider schaffen wir es nicht, die ganze Strecke nach Lima mit dem Rad zu fahren. Durch die Regenzeit kommen wir langsamer voran und wir wollen Anfang naechster Woche in Lima eintreffen. Einige Stuecke sind wir daher mit dem Bus gefahren, haben von dort drinnen beobachtet und die Unterschiede zwischen teurem und billigem Bus deutlich zu spueren bekommen. 

Heute sind wir in La Oroya eingetroffen. Es ist ein kleines Kaff, beruehmt fuer die Mine die es hier gibt. Stromausfall. Waehrend wir warten, dass es wieder Elektrizitaet gibt, erzaehlt mir eine Frau, dass das Atmen hier schwer sei, wegen derAbgase die das Minenunternehmen produziert. Wir lesen, dass 9 von 10 Kindern hier einen zu hohen Bleiwert aufweisen. 

Jetzt sind es noch 200 Kilometer bis nach Lima. Davon geht es 35 bergauf auf 4.800 m und danach in 165 Kilometern bergab auf Meeresniveau. Unsere Bremsen haben wir gestern schon mal nachgezogen ; )
Uebermorgen wollen wir in Lima sein. Seid fast zwei Monaten sind wir in Suedamerika und die Fahrradtour war fuer mich auch ein langsames Naeherkommen. An die Menschen. An Lima. An das was wir dort machen werden. Nun ist es Zeit anzukommen. Ich freue mich drauf. Wir haben viele Eindruecke, Bilder, Erlebnisse und Begegnungen in uns aufgenommen. Und wir werden weiter sammeln und erleben. 


Auf dieses Bild koennt ihr klicken fuer mehr Bilder:
Anden I-Seite

Katastophenritt - oder ein Wettlauf mit dem Licht

von Nina

Mittwoch, 4. Februar: Eigentlich wollten wir mit dem Bus von La Union nach Huánuco fahren. Dann kam es anders.

5:20 Wecker klingelt, Guten Morgen!
6:00 Unsere Fahrraeder werden in den Bus verfrachtet, letzte Gepaeckklappe, uebereinandergestapelt, wir hoffen, wir sehen sie noch mal heil wieder...
6:15 Die Fahrt mit dem Klapperbus beginnt. Der Bus kurvt durch die Gegend und sammelt Menschen ein. 
6:25 Wir verlassen den Ort La Union, ab jetzt gibt es nur noch Schotterpiste.
7:10 Die Strasse schlaengelt sich durch die Berge, die Kurven sind haarstraeubend, die Strasse gleicht vom vielen Regen einer Schlammpiste. 
7:45 Schnell aussteigen! Der Bus steckt in einer Kurve in der ein Fluss die Strasse quer fest.Vorne stoesst er an die Felswand. Bei jedem Versuch rueckwaerts zu fahren, rutscht er dichter an die Schlucht. Bedenkliche Schraeglage. 
8:00 Auf beiden Seiten des Busses stehen Haufenweise Menschen. Andere Fahrzeuge kommen auch nicht weiter, die Strasse ist blockiert. 

8:15 Mit Hilfe von vielen Steinen wird der Bus aus dem Schlamm befreit. Einsteigen. Weiter gehts. 
9:00 Stop - Notfall! Ein Bus der direkt vor uns faehrt ist an einer am Strassenrand wartenden Familie so schnell vorbei gefahren, dass ein auffliegender Stein ein Maedchen trifft. Grosse Aufregung. Die Familie steigt bei uns in den Bus ein. 
9:45 Nix geht mehr. Die Achse vom Bus ist gebrochen. Menschen stehen ratlos rum, einige schimpfen. Mehr und mehr Fahrzeuge kommen von beiden Seiten. Ein langer Stau entsteht. Unter vielen Zuschauern packen wir unsere Fahrraeder aus und strampeln los. Lieber mit dem Rad weiter als mit diesem Bus! 
Ca. die Haelfte der Strecke nach Huánuco ist geschafft, fehlen noch 70 Kilometer. 
10:00 Erster Regenschauer. Ein Vordach bietet Schutz.
10:15 Wieder trockener. Man sagt uns, zum Pass sind es nur 3- 4 Kilometer. "In einer halben Stunde seid ihr oben, danach geht es nur noch bergab."
13:00 Mittagspause im eisigen Wind. Nach mehr als 12 Kilometern bergauf haben wir den Pass immer noch nicht erreicht. Dafuer faengt es wieder an zu regnen.
13:45 3.900 m "La Corona del Inka" (Die Krone des Inka). Schoener Ausblick. Ab jetzt gehts bergab. 2000 Hoehenmetern auf den verbleibenden 58 Kilometern nach Huánuco. 
14:00  Kurze Pause um noch mehr anzuziehen. Mittlerweile habe ich 3 Jacken uebereinander. Es schuettet in Stroemen. 
15:00 Die Sonne kommt raus, wir fahren mit ca. 12 Kmh die Schlammpiste hinunter. 
15:30 Die Strasse trocknet und die vielen Serpentinen koennen wir etwas schneller fahren. Die Landschaft ist atemberaubend (vielleicht auch wegen der Hoehe?) schoen und langsam pellen wir uns wieder aus den Klamottenschichten. 

16:30 Wir haben noch 2 Stunden bis es Dunkel wird und noch 30 Kilometer liegen vor uns. Bergabfahren geht schnell - koennte man meinen. Dachten wir auch mal. Jetzt nicht mehr. 
17:00 Zum 107 Mal schreit mir jemand "Hola Gringa" zu. Ich erwidere ein (hoffentlich) freundliches "Hola" und drehe langsam durch. Muss mich hier jeder "Gringa" nennen? 
17:10 Sebastian regt sich darueber auf, dass die Menschen oft nicht "Hola", sondern nur "Gringo" rufen. 
17:15 Stopp - mein Steinvorrat ist mal wieder zu Ende. Ich hebe ein handvoll Kiesel auf. Um die Hunde abzuwehren die hier sehr aggresiv klaeffend hinter uns herlaufen. 
17:20 Ich fahre ungluecklich gegen einen Stein und mein Hinterrad lockert sich. Reparatur. 
17:30 Es fehlen noch 22 Kilometer. Koennen wir nicht schneller fahren? 
18:00 Meine eine hintere Satteltasche faellt runter, eine Schraube ist verloren gegangen. Wir befestigen sie mit einer Schluesselkette. 
18:15 Die Schluesselkette reisst. Erneute Reparatur, diesmal mit einem Expander. Noch 8 Kilometer. 
18:25 Wir koennen die Stadt sehen!
18:30 Tolles Licht und rot gefaerbte Wolken. Die Sonne ist hinter den Bergen verschwunden. 
18:33 Wir erreichen die Aussenbezirke von Huánuco. Ab jetzt gibt es Strassenlaternen, die wenigstens Schummerlicht verbreiten.
18:45 Radeln durch die dunkle, belebte Stadt. Zum Glueck hat das Licht an unseren Raedern die Busfahrt ueberstanden. Ohne waere es schwer den Schlagloechern auszuweichen.   
19:00 Da! Eine schoene Unterkunft - wir haben es geschafft! 

Und sind geschafft...


Da kommt einer doch ins Gruebeln: Ist Radfahren nicht vielleicht der sicherere und schnellere Weg?!

Donnerstag, 29. Januar 2009

Casa de las Ciclistas in Trujillo

von Nina

Luchos Haus liegt im Zentrum von Trujillo und die Wand ueber der Tuer ist bemalt mit einem Bild auf dem ein Rennradfahrer und ein Reiseradler zusammen eine Weltkugel hochhalten. Amistad (Freundschaft) ist darueber zu lesen.



Schon lange bevor wir in Trujillo eintreffen, wissen wir von Luchos Haus, dem "Casa de las Ciclistas" (Haus der Fahrradfahrer). Lucho selber ist Profirennradfahrer, hat in etlichen peruanischen Rennen gewonnen und nimmt seit mehr als 20 Jahren Reiseradler die durch Trujillo kommen in seinem Haus auf.
Die Liste an Menschen die schon hier waren beeindruckt und die Gaestebucheintraege zeugen von einer Vielzahl an Geschichten. Menschen die wie wir "nur" kurze Zeit per Fahrrad unterwegs sein werden, dann die Vielzahl an Radlern die von Alaska nach Feuerland oder umgekehrt wollen und dann die Menschen, bei denen Radeln schon viel mehr ist, als nur ein Abenteuer auf Zeit: Weltumfahrer oder Familien, die schon seit Jahren durch die Welt touren, die Kinder im Anhaenger. Fahrradfahrend durchs Leben und dabei die ganze Welt durchqueren.

Sofort fuehle ich mich sehr wohl im Casa de Ciclistas. Luchos Familie ist sehr nett und betont immer wieder, wir sollen uns wie zu Hause fuehlen. Gerade wird eine Hochzeit vorbereitet. Braeutigam ist Luchos Neffe, er ist 18. Die Braut, ebenfalls 18, erwartet ein Kind und da gibt es im doch noch recht traditionellen Peru nicht allzu viele Moeglichkeiten. Heiraten ist eine davon. Abtreiben offiziell verboten.
Das Hochzeitsfest wird bei Lucho im Haus stattfinden. Nachts helfen wir noch die Fahrradwerkstatt aus dem grossen Eingangsraum in ein Hinterzimmer umzuziehen und tags darauf wird fieberhaft an den Vorbereitungen gearbeitet. Streichen, Putzen, Musikanlage aufbauen.
Sebastian und ich entgehen dem allerdings und schauen uns lieber Chan Chan an. Eine Ruine nahe Trujillo aus der Chimú-Zeit (1.000 - 1.400 n. C.), die groesste Lehmziegelstadt der Welt. Beineindruckend, aber in der Mittagshitze viel zu heiss.




Zerfallende Lehmmauern


Schoen ist es in einer Stadt bei netten Menschen unterzukommen und so gleich Kontakte zu knuepfen die ueber das alltaegliche Blabla hinausgehen. Durch Lucho lernen wir in Trujillo Menschen kennen, die uns ihre Geschichte erzaehlen; Deutsche, die nach Peru ausgewandert sind; ein Priester, der nun kein Priester mehr ist, weil er sich verliebte und nun als Musiker sein Geld verdient - er spielt ueber 30 Instrumente!

Der kleine Sohn von Lucho ist uebrigens schon genauso begeistert fuer Fahrraeder wie sein Papa. Lance heisst er. Und Lucho fuegt grinsend hinzu "Wie Lance Armstrong".

Kein Wunder, dass sich da in Luchos Gaestebuch Eintraege finden lassen, die sich auf diesen Namen beziehen. Zum Beispiel "Lance - el prometido (der Versprochene)" oder "Hoffenlich gewinnt er dann auch die Tour de France"


mit Lucho



Mehr Fotos von der trockenen Kueste findet ihr hier:
Kueste 2 I-Seite

Mittwoch, 21. Januar 2009

Auf Stahlrössern durch die Wüste

von Sebastian

Ein furchtbares Gefühl. Ein trockener Geschmack im Mund. Die Zunge klebt. Die Hoffnung auf Wasser verdrängt jeden Gedanken. Man will ein ganzes Meer austrinken, soviel Durst hat man, aber das nasse Element lässt auf sich warten.

Heute haben wir genug dabei. Zum Glück.

Morgens fahren wir los. Es ist der 21. Januar 2009. Vor uns liegt eine Strecke von über 100 Kilometern. Erst radeln wir durch Weide- und Anbauland, dann nehmen die Grünflächen langsam ab. Die Kulisse um uns herum ändert sich. Der Film bleibt. Wir strampeln weiter. Keiner von uns weiss wann wir ankommen werden. Die Kilometerangaben von Karte und Schildern weichen stark voneinander ab.

Um uns herum Sand, Wind und Einsamkeit. Unter uns Stahl, Gummi und Teer. Wir sehen Wanderdünen, die sich durch den Wind langsam von West nach Ost bewegen. Ab und zu verdorrte Sträucher. In der Mitte, wie immer, der heiße Asphalt der Panamericana. Ein Blick zum Horizont bringt keine Neuigkeiten. Der Wind wird bald so stark, dass wir nur noch mühsam vorankommen. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit ist von 25 km/h auf 15 km/h gefallen. Wir sind nun nur noch drei mal so schnell wie ein Fußgänger und sechs mal so langsam wie die an uns vorbeidonnernden Autos. Was solls, der Blick in die Landschaft ist sowieso immer schöner als der auf den Tacho. Ich stecke mir die Ohrstöpsel ins Ohr und höre "Element of Crime." Komisch diese Musik hier zu hören. Eigentlich passt sie nicht hierher. Nach zwei, drei Liedern wirkt jedoch alles viel harmonischer. Die sanfte Melancholie der Musik legt sich wie eine eine Zweite Haut über die trockene Traurigkeit der Landschaft. Zeit zum Nachdenken.

Ich schalte den Mp-3 player ab. Ich habe keine Lust mehr auf Musik. Auch keine Lust mehr auf Wüste. Der Wind nervt. Da ist es nun, das trockene Gefühl im Mund. Zum Glück haben wir noch Wasser. Die Beine sind trotzdem noch schwer und die Salzschicht, die der Schweiß auf meinem Gesicht produziert, wird immer dicker. Mein Sattel war auch schon einmal bequemer. Scheibenhonig! Das schlimme ist ja, dass man nicht weiss wie lange es so weiter gehen wird. Ich traue mich nicht anzuhalten, verzichte aufs fotografieren, als könnte ich so der Hitze entfliehen.

Ein großes Betonschild am Straßenrand verkündigt uns die frohe Botschaft. In bunten Lettern steht da geschrieben, dass wir nach 15 Kilometern die Tankstelle eines grossen Ölkonzerns erreichen werden. 15 Kilometer. Das heisst noch eine Stunde ab durch die leere Mitte. Bei Kilometer 88 ereichen wir so etwas ähnliches wie ein Dorf. Keine Tankstelle, dafür ein Restaurant.

Die letzten 15 Kilometer bis an die Küste sind nur noch Peanuts.

Wueste

von Nina

Endlose Wueste.
Den ganzen Tag sehen wir Steine und Sand. Irgendwo in der Ferne tuermen sich Berge auf.
Die Luft flimmert. Wir stemmen und gegen den heissen Wind der unsere Fahrraeder schon fast in Seitenlage bringt. Nur langsam geht es voran.
Rast. Ich oeffne meine Trinkflasche und der Wind pfeift so stark, dass ein Pfeifton durch die Oeffnung meiner Trinkflasche entsteht.


Menschen auf Motorraedern die die Panamericana von Nord nach Sued oder andersrum fahren, haben wir schon etliche getroffen, heute nun endlich der erste Radler! Er kommt uns in der Wueste entgegen und ist vor 2 einhalb Monaten in Santiago de Chile aufgebrochen. Bis nach Caracas in Venezuela moechte er kommen. Gemuetlich und mit einem von der Sonne ausgebleichtem T-Shirt ist er unterwegs und gibt uns sogleich eine Adresse von einer netten Unterkunft in Trujillo, unserer naechsten, groessen Stadt. Und auch der letzten bevor es fuer uns in die Anden geht.

"In Trujillo tankten wir noch einmal kraeftig Energie auf die wir auch brauchen sollten, dann drehten wir dem Meer den Ruecken, tauschten Teer gegen Schotter und machten uns auf in die Anden. Wenn wir die ecuadorianischen Berge mit einer Achterbahn vergleichen, so aehnelte dass, was da in den peruanischen Anden auf uns zukommen sollte, wohl einer Achterbahn mit 3 und 4fach Looping."

So oder so aehnliche Beschreibungen haben wir nun schon oefter gelesen. Die Route die wir ab Trujillo nehmen wollen, durch die Cordillera Blanca ueber viele Hoehenmeter und schlechte Strassen, scheint nicht ganz ohne zu sein. Ich bin sehr gespannt, ob wir es packen. Konditionell wird es um einiges anspruchsvoller werden und auch die Hoehe sollten wir nicht unterschaetzen. Auf 3 - 4.000 Metern ist Radeln nicht unbedingt leichter.

Eine Herausforderung wird es allemal und das Schoene ist, dass wir auch immer wieder aus den Bergen herausradeln koennen, wenn es uns zu viel wird und unseren Weg an der Kueste, auf der relativ flachen Panamericana fortsetzen koennen.

Heute sind wir noch einmal am Meer, in Puerto Chicama, einem kleinem Kaff, dass angeblich die laengste, linksbrechende Welle der Welt hat. So wird es jedenfalls gross am Ortseingang angekuendigt. Aha. Als wir am Meer ankommen, ist das Meer ganz flache und kein Surfer weit und breit ist zu sehen.
Vom ganzen Tag im Sattel sind wir voellig verschwitzt und stuerzen und in die Fluten. Aber --- oje -- eiskaltes Wasser! Es ist das erste Mal, dass wir in Peru baden und war in Ecuador das Wasser noch lauschig warm, so ist hier eine ganz entscheidende Sache anders: Der Humboldtstrom
Der Humboldtstrom fliesst von der Antarktis an der Westseite Suedamerikas entlang und fuehrt kaltes Wasser mit sich und bewirkt, dass die ganze peruanische Kueste Trockengebiet ist - und dass das Wasser kalt ist, klar.
Morgen haben wir noch einen Wuestentag vor uns, ob da wohl irgendwann ein Ende in Sicht ist?

Montag, 19. Januar 2009

Peruanische Studenten

von Nina

In der Zeitung habe ich gestern ein Foto aus Deutschland gesehen: Eisbrecher auf der Mosel. Der Text dazu beschrieb, dass es wohl der kaelteste Winter seit Jahrzehnten in Deutschland sei.

Hier ist es alles andere als kalt, dafuer oft dunkel. Richtig dunkel, von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens ist schwarze Nacht und die Strassenlaternen erinnern oft eher an Funzeln, als an Lampen die tatsaechlich Helligkeit verbreiten. Vor allem wenn sie ganz ausfallen - dann beleuchtet nur noch die Leuchtreklame an den Haeusern die Strassen der Innenstadt. Aber wenn ihr jetzt denkt, es waere dann stockduster - weit gefehlt: Leuchtreklame gibt es viel und sie macht ihrem Namen Ehre und verbreitet ein Leuchten. Da merkt man fast nicht, dass die Strassenlaternen aus sind, wenn man durch die Nacht tappt.

Wir haben die letzten beiden Tage in Chiclayo Station gemacht und unsere Beine ausgeruht und es genossen, nicht jeden Morgen alles in die Fahrradtaschen zu verstauen. In dieser Gegend gibt es so viel anzugucken, dass einfach nur durchradeln schade waere.
Nordperu ist von einer Vielzahl von verschiedenen Kulturen gepraegt worden, die - bevor die Spanier im 15. /16. Jahrhundert kamen - eine Menge Bauwerke, Kunst und Kultur hinterlassen haben.
Heute haben wir eine 1.700 Jahre alte Pyramide von der Moche Kultur bestaunt, dort sind vor 20 Jahren intakte Grabkammer gefunden worden - eine Sensation in der archaeologischen Welt, die mit den Funden in den aegyptischen Pyramiden verglichen wurden.
Die Pyramide von Sipan ist riesig, wurde vor fast 2 Jahrtausenden aus Millionen von Lehmziegeln aufgebaut und gleicht heute einem grossen, verflossenen Wachsgebilde. Das Klima hat seine Spuren hinterlassen, Mauerreste erkennt man nur noch bei genauem Hingucken. Die Grabkammern allerdings wurden mit dem Pinsel freigelegt und sind sehr beeindruckend anzuschauen, vor allem die Erklaerungen im dazugehoerigen Museum sind spannend. So wurde dem Koenig von Sipan zum Beispiel bei seiner Bestattung 8 weitere Menschen zur Seite gegeben. Darunter neben mehreren Frauen, ein Soldat der als Wache diente. Seinem Skelett fehlen die Fuesse, als Symbol dafuer, dass er sich nicht von der Stelle bewegt und den Herscher treu bewacht.


So sieht die Pyramide heute aus.


So sah sie wohl einmal frueher aus. Ein Modell.


In den letzten Jahren war Peru sehr bemueht die kulturellen Hinterlassenschaften frueherer Kulturen in eine touristische Infrastruktur einzubetten, denn so eine Pyramide a la Wachsblog ist nur halb so toll, wenn einem verschlossen bleibt, was es eigentlich einmal darstellen sollte.
Diese Infrastruktur wirft manchmal noch einige Fragen auf. So ist es zum Beispiel im Museum verboten Fotoapparate mitzubringen, Rucksaecke muessen draussen abgegeben werden. Allerdings ist es auch verboten, Wertgegenstaende - wie zum Beispiel Fotoapparate - im Rucksack abzugeben. Mmmh, wohin also mit der Kamera?
Schoen ist es, dass es in Peru richtig viel Rabatt fuer Studenten gibt, teilweise allerdings nur fuer peruanische Studenten. Kein Problem fuer uns, denn mit einem Studentenvisum fuer Peru in unserem Pass, zaehlen wir als peruanische Studenten!

Morgen geht es weiter auf der Panamericana gen Sueden. In zwei oder drei Tagen wollen wir Trujillo erreichen. Frueh losfahren, um der Hitze zu entgehen.
Ich freu mich aufs weiterfahren, auf die Landschaft durch die wir fahren werden, auf die Menschen, denen wir begegnen werden und auf die Zeit, die einfach da ist, waehrend wir radeln. Zeit zum Beobachen und um das aufzunehmen was passiert.

Samstag, 17. Januar 2009

Autofreier Freitag auf der Panamericana

von Nina

All zuviel Verkehr ist nicht auf der Panamericana. Aber wenn dann der ganze Verkehr von 2 Tagen schoen aufgereiht auf dem rechten Fahrstreifen steht, erscheint einem die Autoreihe an der man vorbeifaehrt endlos.

In der Region um Sullana wurden die Preise fuer das Wasser erhoeht. Die Bananenbauern der Region waren empoert und beschlossen die Panamericana lahmzulegen, um sich so Gehoer zu verschaffen. Im Dorf San Jacinto, etwas westlich von Sullana, legten sie also alles moegliche auf die Strasse und stellten einige Lkws quer.






Als wir dort ankamen, war die Strassensperre schon 48 Stunden im Gange und es hatte sich nicht nur eine sehr lange Reihe Laster und Busse gebildet, sondern auch der Gestank war schon auf ein erhebliches Mas gestiegen. Denn nicht nur, dass die ganzen Leute, die nun in dem kleinem Kaff festsassen auf Toilette gehen mussten, sondern die Laster hatten teilweise gekuehlte Ware geladen, die sich nun langsam in fluessiger Form davon zu machen drohte. Von der Kueste her kommend, mit Fisch beladen und die Panamericana als einzige grosse Strasse in der Gegend - Fluessigfisch sollte es also geben. Auch rote Suppe lief aus manchen Haengern - entsteht wohl so Gammelfleisch?!

Als wir so mit unseren Fahrraedern an den Lastern vorbeirollten, muss ich schlucken, als ich sehe, dass unsere Fahrradreifen bedeutend mehr Profil haben, als die teilweise spiegelglattgefahrenen Raeder der Lkws. Nichts desto trotz prangt an vielen der Fahrzeuge ein grosser Aufkleber, auf dem verkuendet wird, dass dieses Auto die jaehrliche Kontrolle bestanden hat. Auf was wird da wohl geprueft?

Die Mitte der Strassensperre bildete ein einige hundert Meter langer Fahrbahnabschnitt, auf dem Scharen von Menschen unterwegs waren, auf der einen Seite aus ihrem Bus ausgestiegen, um auf der anderen Seite in einen Bus zu steigen, der seinen Weg auf der anderen Weg fortsetzen konnte. Gerade waren mengenweise Polizisten dabei sich zu formieren, um die versammelten Landwirte zum Aufloesen der Sperrung zu bewegen.
Wir konnten ueberall ungehindert mit den Fahrraedern passieren und taten dies auch, da die Situation gerade zu eskalieren drohte. Durch die Hitze radelnd, erreichen wir Nachmittags Sullana, eine graue Stadt, es ist heiss und stickig und als haette der Protest der Bauern schon die Stadt erreicht, gibt es in unsere Unterkunft kein fliessend Wasser. Duschen aus einem Eimer ist aber auch ok. Ob wir den Bananen damit wohl das Wasser wegnehmen?

Freitag, 16. Januar 2009

Radeln

von Nina

Seit einer Woche sind wir nun unterwegs.

Die Landschaft wandelt sich stetig: War in Ecuador die Strasse noch von tropischen Waeldern gesaeumt, so wird es seit wir vor eine paar Tagen die Grenze nach Peru ueberquert haben, zunehmend trockener und wuestenhafter.



Die Panamericana, als "die Strasse" Suedamerikas, ist faszinierend zu fahren. Direkt an der Kueste entlang fuehrt sie und neben uns gleiten Pelikane uebers Wasser, so dicht ueber den Wellen, als wuerden sie gleich verschluckt. Ziegen fressen an den trockenen Haengen der felsigen Huegel die letzten Straeucher ab. Und wir radeln an Hoefen vorbei, wo wir uns fragen, wie die Menschen dieser trockenen Erde ueberhaupt etwas abgewinnen. Ein Friedhof - voellig leer; die Menschen bestatten ihre Toten lieber direkt an der Panamericana, an der Graeber in kurzen Abstaenden stehen. Die Strasse reicht manchmal bis zum Horizont, so geradeaus, so lang.



Und wir fahren und fahren, durchqueren Landschaften, passieren Doerfer, treten in die Pedalen, auf flachen Strecken scheint es wie von selbst zu gehen. Wir fahren in unserer Reisegeschwindigkeit, so, dass wir beobachten koennen, was vorueberzieht, manchmal so langsam, dass wir Ameisen krabbeln sehen koenne, manchmal so schnell, dass der Fahrtwind kuehlt. Die Strasse flimmert, die Sonne verbrennt uns gnadenlos von oben, der Wind lagert Salz auf unseren Lippen ab. Und wir fahren genauso schnell, dass wir winken, und die Begruessungen der Menschen erwidern koennen.




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Kueste I-Seite

Freitag, 9. Januar 2009

Fahrraeder!!

von Sebastian und Nina

Heute wollen wir euch zwei Sachen mitteilen.

1.: Unsere Fahrraeder sind da und wir freuen uns riesig darueber!

2.: Verschifft niemals etwas von Deutschland nach Ecuador!

Nach drei Tagen Papierkrieg am Hafen haben wir es geschafft. Wir konnten unsere beiden Fahrraeder die wie mit einer Spedition von Hamburg nach Guayaquil verschiffen haben endlich in Empfang nehmen. Das ganze war weitaus schlimmer als wir es uns vorher ausgemalt haben. Manchmal ist es vorher ganz gut, wenn man nicht weiss was einen erwartet...

Wie wir von der Spedition vor Ort erfahren haben, schaltet man als Privatperson normalerweise einen Agenten ein, der darauf spezialisiert ist Gueter aus dem Hafen zu holen. So ein Agent arbeitet dann 8 - 15 Tage an dem Fall und kostet eine Menge Geld. Also, nichts fuer uns. Durch ein Gespraech mit dem Chef des Zollamtes - ein freundlicher Agent vermittelte uns den Kontakt - erhofften wir uns eine schnelle und unbuerokratische Loesung des Problems. Tatsaechlich war der Mann dann auch sehr bemueht uns zu helfen. Trotzdem, die Buerokratie laesst sich auch vom "Oberchef" persoenlich nicht aus dem Weg raumen. Fuer uns hiess das ersteinmal warten und von einer Stelle zur anderen geschickt werden. Es mussten Passkopien angefertigt werden, Dokumente beantragt, geschrieben und ausgestellt werden, die Raeder mussten inspeziert werden, wofuer fuer uns wieder eine Art "Hafeneintrittsausweis" erstellt werden musste, usw.

Nach drei Tagen kannte uns der halbe Hafen. Die Sicherheitsbeamten schlugen die Haende ueber dem Kopf zusamen, als wir sie wieder einmal um Gewaer baten, die Buerodamen grinsten uns an und die Hafenarbeiter fragten und wunderten sich warum wir denn nicht einmal endlich die Rader mitnehmen wuerden.
Ja, warum denn eigentlich nicht?! Vermutlich war es deshalb so schwer, weil wir als Privatpersonen und "Neulinge" im Buisiness keinerlei Ahnung hatten wie man so etwas angeht. Wir hatten ja noch nicht einmal einen Ausweis um den Hafen zu betreten. Auch fuer den Zoll war es neu, dass die Inhaber der Fracht aufeinmal selbst vor der Tuer standen und die Sachen gleich mitnehmen wollten. Man hatte das Gefuehl, dass einige Leute damit ueberfordert waren.

Die meisten haben uns jedoch mit all ihren Kraeften unterstuetzt und auch nur so war es moeglich, dass wir die Raeder nach nur drei Tagen Arbeit und nicht erst nach 15 Tagen bekommen haben. Manchmal hatten wir schon ein schlechtes Gewissen, weil wir uns nie an irgendeiner Schlange angestellt haben, sondern einfach stur dran vorbeigelaufen sind. "Die anderen die dort stehen werden immerhin fuer ihr Warten bezahlt," sagten wir uns dann meistens. Oft wurden wir auch gleich zum Chef ins Buero geschickt und mussten nicht draussen an den Schaltern stehen. Als der Chef dann fuer ein wichtiges Problem gerufen wurde, war seine Antwort nur: "Jetzt nicht, das hier ist ein wichtiges Problem."
Nun, man kann also nicht sagen das die Leute nicht gewillt waren...

Wir haben es also geschafft mit den Raedern den Hafen, und somit auch den Zollbereich zu verlassen. Weil die Beamten sich nicht sicher waren, ob wir ueberhapt auf Raedern die Kontrollen passieren koennen, bisher wurden nur LKWs durch die Kontrollen gelotzt, begleiteten sie uns einfach.
Wir fuhren also, ein Zollauto vor uns, eins hinter uns an den wartenden LKWs vorbei an die letzte Abfertigungsstation. Ein letztes Mal wurden die Raeder gewogen, die Papiere gecheckt bis wir schliesslich rechtzeitig vor Einbruch de Daememrung in die Freiheit entlassen wurden. Nicht bevor der Zollbeamte uns nocheinmal eindringlich mitteilte, dass die Gefahr ueberall lauerte. Aha.

Wir sind frei,
frei zum losfahren.
Das einzige was wir jetzt noch an Altlasten mit uns herumtragen, ist ein dicker Packen Papier: Dokumente ueber alles moegliche, wann unsere Fahrraeder in Hamburg verschifft wurden, wann sie angekommen sind, welche Farbe und Nummer sie haben, Eintrittspapiere in den Hafen fuer uns, Einfuhrpapiere fuer die Raedern, was sie wiegen und so weiter.
Ein Weilchen werden uns die Freunde aus Papier wohl noch begleiten, bis wir sie hinter der Peruanischen Grenze getrost einem Feuerchen ueberlassen koennen, denn dann ist sicher: Der ganze Zirkus ist entgueltig vorbei!

Morgen geht es los - die Kueste runter Richtung Perú!