Freitag, 6. Februar 2009

Anden

von Nina

Seid etwa zwei Wochen radeln wir durch die Anden. 
Es macht Spass, es ist toll, anstrengend und voellig anders als an der Kueste entlang zu fahren.
 Abgebogen von der Panamericana sind wir in einen staubigen Weg, ueber Schotterpisten die stetig, aber nicht zu steil anstiegen erreichten wir die erste Doerfer. Immer entlang des Río Santa, einem maechtigem Fluss, der sich zwischen Cordillera Blanca und Cordillera Negra entlangwindet. So viel Wasser und doch so trocken. 

Erst ab 1.500 Metern wird es langsam gruener, kuehler, regnerischer. Jetzt ist Regenzeit in den Anden, und spaetestens ab Nachmittags schuettet es. Mal mehr mal weniger. Baeche fliessen auf der Strasse, ja die Strasse selbst verwandelt sich in einen Bach. Weisse Bergspitzen tauchen auf, wir radeln am hoechsten Berg Perus, dem Huazcarán mit ueber 6.700 m, vorbei. 
Die beiden Cordilleras sind nach dem Himalaya die hoechste Gebirgskette der Welt, etliche Sechstausender und ueber 600 Gletscher! 

Die Orte unterscheiden sich sehr, je hoeher wir kommen, desto gruener wird es. Wir durchqueren winzige Doerfer in denen Blumen in allen Farben strahlen, wunderschoen. 
Die Frauen in den Andendoerfer tragen zum grossen Teil traditionelle Kleidung. Ein Hut auf dem Kopf, die langen schwarzen Haare zu Zoepfen geflochten, eine Vielzahl von Roecken uebereinander, ein leuchtendes Tuch um den Ruecken geschlungen, aus dem oft ein Kind herausschaut. Vor allem in kleinen Orten herrscht ueberall Geschaeftigkeit: Felder werden bestellt, Tiere zum Weiden gebracht, Maenner reiten in Ponchos umher, und Kinder begruessen uns in selbstgestrickten Pullis. 
Ab 3.500 m wird die Landschaft kahler. Weite Wiesen dehnen sich auf dem Berghaengen aus, kaum noch Baeume. Zwei Frauen sprechen uns auf Quechua an. Ihre Augen strahlen. In Spanisch erzaehlen sie uns, dass sie gerade Kartoffeln vom Feld geholt haben, und zeigen auf ihren Ruecken, wo sich eingeschlungen in bunte Tuecher anscheinend sehr viele Kartoffeln verbergen. "Wie ihr", sagen sie, "ihr habt auch viel zu tragen." 
Oft sind die Menschen auch schuechtern, betrachten uns skeptisch. 

Leider schaffen wir es nicht, die ganze Strecke nach Lima mit dem Rad zu fahren. Durch die Regenzeit kommen wir langsamer voran und wir wollen Anfang naechster Woche in Lima eintreffen. Einige Stuecke sind wir daher mit dem Bus gefahren, haben von dort drinnen beobachtet und die Unterschiede zwischen teurem und billigem Bus deutlich zu spueren bekommen. 

Heute sind wir in La Oroya eingetroffen. Es ist ein kleines Kaff, beruehmt fuer die Mine die es hier gibt. Stromausfall. Waehrend wir warten, dass es wieder Elektrizitaet gibt, erzaehlt mir eine Frau, dass das Atmen hier schwer sei, wegen derAbgase die das Minenunternehmen produziert. Wir lesen, dass 9 von 10 Kindern hier einen zu hohen Bleiwert aufweisen. 

Jetzt sind es noch 200 Kilometer bis nach Lima. Davon geht es 35 bergauf auf 4.800 m und danach in 165 Kilometern bergab auf Meeresniveau. Unsere Bremsen haben wir gestern schon mal nachgezogen ; )
Uebermorgen wollen wir in Lima sein. Seid fast zwei Monaten sind wir in Suedamerika und die Fahrradtour war fuer mich auch ein langsames Naeherkommen. An die Menschen. An Lima. An das was wir dort machen werden. Nun ist es Zeit anzukommen. Ich freue mich drauf. Wir haben viele Eindruecke, Bilder, Erlebnisse und Begegnungen in uns aufgenommen. Und wir werden weiter sammeln und erleben. 


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Anden I-Seite

Katastophenritt - oder ein Wettlauf mit dem Licht

von Nina

Mittwoch, 4. Februar: Eigentlich wollten wir mit dem Bus von La Union nach Huánuco fahren. Dann kam es anders.

5:20 Wecker klingelt, Guten Morgen!
6:00 Unsere Fahrraeder werden in den Bus verfrachtet, letzte Gepaeckklappe, uebereinandergestapelt, wir hoffen, wir sehen sie noch mal heil wieder...
6:15 Die Fahrt mit dem Klapperbus beginnt. Der Bus kurvt durch die Gegend und sammelt Menschen ein. 
6:25 Wir verlassen den Ort La Union, ab jetzt gibt es nur noch Schotterpiste.
7:10 Die Strasse schlaengelt sich durch die Berge, die Kurven sind haarstraeubend, die Strasse gleicht vom vielen Regen einer Schlammpiste. 
7:45 Schnell aussteigen! Der Bus steckt in einer Kurve in der ein Fluss die Strasse quer fest.Vorne stoesst er an die Felswand. Bei jedem Versuch rueckwaerts zu fahren, rutscht er dichter an die Schlucht. Bedenkliche Schraeglage. 
8:00 Auf beiden Seiten des Busses stehen Haufenweise Menschen. Andere Fahrzeuge kommen auch nicht weiter, die Strasse ist blockiert. 

8:15 Mit Hilfe von vielen Steinen wird der Bus aus dem Schlamm befreit. Einsteigen. Weiter gehts. 
9:00 Stop - Notfall! Ein Bus der direkt vor uns faehrt ist an einer am Strassenrand wartenden Familie so schnell vorbei gefahren, dass ein auffliegender Stein ein Maedchen trifft. Grosse Aufregung. Die Familie steigt bei uns in den Bus ein. 
9:45 Nix geht mehr. Die Achse vom Bus ist gebrochen. Menschen stehen ratlos rum, einige schimpfen. Mehr und mehr Fahrzeuge kommen von beiden Seiten. Ein langer Stau entsteht. Unter vielen Zuschauern packen wir unsere Fahrraeder aus und strampeln los. Lieber mit dem Rad weiter als mit diesem Bus! 
Ca. die Haelfte der Strecke nach Huánuco ist geschafft, fehlen noch 70 Kilometer. 
10:00 Erster Regenschauer. Ein Vordach bietet Schutz.
10:15 Wieder trockener. Man sagt uns, zum Pass sind es nur 3- 4 Kilometer. "In einer halben Stunde seid ihr oben, danach geht es nur noch bergab."
13:00 Mittagspause im eisigen Wind. Nach mehr als 12 Kilometern bergauf haben wir den Pass immer noch nicht erreicht. Dafuer faengt es wieder an zu regnen.
13:45 3.900 m "La Corona del Inka" (Die Krone des Inka). Schoener Ausblick. Ab jetzt gehts bergab. 2000 Hoehenmetern auf den verbleibenden 58 Kilometern nach Huánuco. 
14:00  Kurze Pause um noch mehr anzuziehen. Mittlerweile habe ich 3 Jacken uebereinander. Es schuettet in Stroemen. 
15:00 Die Sonne kommt raus, wir fahren mit ca. 12 Kmh die Schlammpiste hinunter. 
15:30 Die Strasse trocknet und die vielen Serpentinen koennen wir etwas schneller fahren. Die Landschaft ist atemberaubend (vielleicht auch wegen der Hoehe?) schoen und langsam pellen wir uns wieder aus den Klamottenschichten. 

16:30 Wir haben noch 2 Stunden bis es Dunkel wird und noch 30 Kilometer liegen vor uns. Bergabfahren geht schnell - koennte man meinen. Dachten wir auch mal. Jetzt nicht mehr. 
17:00 Zum 107 Mal schreit mir jemand "Hola Gringa" zu. Ich erwidere ein (hoffentlich) freundliches "Hola" und drehe langsam durch. Muss mich hier jeder "Gringa" nennen? 
17:10 Sebastian regt sich darueber auf, dass die Menschen oft nicht "Hola", sondern nur "Gringo" rufen. 
17:15 Stopp - mein Steinvorrat ist mal wieder zu Ende. Ich hebe ein handvoll Kiesel auf. Um die Hunde abzuwehren die hier sehr aggresiv klaeffend hinter uns herlaufen. 
17:20 Ich fahre ungluecklich gegen einen Stein und mein Hinterrad lockert sich. Reparatur. 
17:30 Es fehlen noch 22 Kilometer. Koennen wir nicht schneller fahren? 
18:00 Meine eine hintere Satteltasche faellt runter, eine Schraube ist verloren gegangen. Wir befestigen sie mit einer Schluesselkette. 
18:15 Die Schluesselkette reisst. Erneute Reparatur, diesmal mit einem Expander. Noch 8 Kilometer. 
18:25 Wir koennen die Stadt sehen!
18:30 Tolles Licht und rot gefaerbte Wolken. Die Sonne ist hinter den Bergen verschwunden. 
18:33 Wir erreichen die Aussenbezirke von Huánuco. Ab jetzt gibt es Strassenlaternen, die wenigstens Schummerlicht verbreiten.
18:45 Radeln durch die dunkle, belebte Stadt. Zum Glueck hat das Licht an unseren Raedern die Busfahrt ueberstanden. Ohne waere es schwer den Schlagloechern auszuweichen.   
19:00 Da! Eine schoene Unterkunft - wir haben es geschafft! 

Und sind geschafft...


Da kommt einer doch ins Gruebeln: Ist Radfahren nicht vielleicht der sicherere und schnellere Weg?!