Montag, 15. Juni 2009

Junio

von Nina

1925 war Lima noch so groß wie Freiburg, mit 220.000 Einwohnern. Heute wohnen hier mehr als 8 Millionen Menschen, genau weiss es keiner. Wenn ich auf Wikipedia über Lima lese, finde ich nicht die gewohnten Bilder, sondern Kolonialbauten und moderne Hochhäuser. Das ist also das Bild, was von Lima verbreitet werden soll. Vielleicht zutreffend, da das auch das Bild ist, was die meisten Menschen, die Lima besuchen, erleben.
Von Osten aus den Anden fließt der Fluss Rimac nach Lima. Bevor er Lima erreicht, fließt er an 27 Minen vorbei und wird etliche Male zur Stromgewinnung genutzt.. Kaum erreicht er Lima wird der komplette Fluss in eine Stromgewinnung- und Trinkwasseraufbereitungsanlage geleitet - doch wie lange wird das noch so gehen? Berechnungen sagen, dass der Gletscher der den Rimac speist noch bis 2015 existieren wird.

Und dann?

Darüber scheinen sich hier eher weniger Leute zu sorgen. Der Präsident, Alan Garcia, hat jetzt erstmal mit seinem Programm "Agua para todos" allen in den nächsten Jahren Wasser versprochen. Ob es ALLE werden werden ist fraglich, aber es wird eifrig gebaut, Wasserleitungen, Wassertanks, Wasserpumpen, Wasserhähne. Im Moment verbrauchen die Menschen die in den Randbezirken bisher ohne Wasseranschluss leben zehn mal weniger Wasser als die Menschen in der Stadt. Dafür zahlen die zehnmal mehr für ihr Wasser, da es im Tankwagen geliefert wird. Sind die Wasserleitungen einmal verlegt und angeschlossen, bleibt der Geldbetrag den die Menschen für Wasser ausgeben meist gleich - nur die verbrauchte Wassermenge verzehnfacht sich...

Natürlich ist es keine Lösung die Menschen am Rande Limas einfach nicht ans Wassernetz anzuschliessen, damit sie weniger Wasser verbrauchen. Hier wird eifrig darüber diskutiert, ob es ein Recht auf Wasser gibt. Alle brauchen Wasser, dass ist klar, aber was es bestimmt nicht gibt, ist ein Recht darauf, Wasser zu verschwenden.

Vielleicht sind auch Lösungen in Sicht: im Rathaus von Lima wird über Trockenklos als Alternative nachgedacht - die ersten Modellklos werden bereits gebaut.

Vor einigen Wochen war ich bei einem Vortrag auf dem eine neue Erfindung für saubere Luft vorgestellt wurde: Der Superbaum! Das Logo stellt ein grossen Baum mit Gesicht dar, der seine Arme in die Hüften stützt. Allerdings geht es nicht wirklich um einen Baum, sondern um einen Maschine, die alle möglichen Partikel aus der Luft zieht, mit Hilfe eines Wasserfilters. Auch mehr Sauerstoff sei am Ende in der Luft. 400 solcher Maschinen sollen nun an den schlimmsten Kreuzungen in Lima aufgestellt werden. Aus der vier Meter hohen Maschine fuhrt ein Schlauch in einen kleinen Bushäusschen ähnlichen Glaskasten. Dort kann man sich reinstellen und fortan saubere Luft atmen. Eine Pause nehmen von der verschmutzten Abgas-Luft.

Der Referent erzählte, dass das Pflanzen von echten Bäumen zwar nett sei, da sie Sauerstoff produzieren, die richtig gefährlichen Stoffe allerdings, nämlich die Staubpartikel, nicht aus der Luft zögen. Diese Maschine scheint die Revolution überhaupt zu sein, wenn das stimmt - schön. Allerdings fragte ich mich während des ganzen Vortrags, warum so viel Zeit darauf investiert wird, die Staubpartikel am Ende aus der Luft zu ziehen - weshalb fängt man nicht andersrum an und beginnt die Autos mit Filtern auszustatten. Verhindern, dass die Partikel überhaupt in so einer großen Zahl in die Luft kommen. Prävention...

Mir kommt es so vor, als ob viele Diskussionen über Umweltschutz, Gesetze und mehr, die in Deutschland schon seit langem geführt werden, hier erst in den Kinderschuhen stecken. Vielleicht gehen sie auch einfach zwischen zu vielen Liebesliedern und Reis mit Hühnchen verloren. Vieles kommt mir unreflektiert vor. Manchmal kann ich nur mit dem Kopf schütteln, so zum Beispiel als ich gestern an einer riesigen Werbetafel vorbeifuhr auf der stand: "5. Juni Tag der Umwelt: Der Planet braucht uns"

Wenn das die hier vorherrschende Meinung ist, dann wird mir einiges klar.

Noch ein anderes Thema: Gerade können wir hier Waldpolitik live und in schlimmsten Ausmaß miterleben: Vor einiger Zeit hat Peru einen Freihandelsvertrag mit den USA unterschrieben. Dieser Freihandelsvertrag schreibt vor, dass Peru sich öffnen muss und bestimmt Ressourcen zugänglich werden müssen für Firmen. Daraufhin hat Peru seinen Amazonasregenwald "verkauft" und durch ein Gesetz möglich gemacht, dass sich Firmen Konzessionen kaufen können, um fortan Bodenschätze, Holzvorräte sowie Pflanzen und Tiere auf der Fläche "nutzen" können. Für Peru hat das den Vorteil, dass es einerseits viel Geld gibt, das Fläche, die für den Staat im Moment wenig Verwendung hat, genutzt wird und außerdem, dass das Holz, das im peruanischen Regenwald geschlagen wird, endlich eine vermeidlich legale Herkunft hätte.

Nur - eine Sache hat der peruanische Staat dabei vergessen: Im Regenwald leben Menschen! Und zwar nicht wenige, und diese Menschen haben - sogar per Gesetz festgeschrieben - Mitspracherechte! Sie dürfen mitentscheiden, wenn es um ihr Land geht. Natürlich waren die Waldbewohner (Indígenas) nicht einverstanden mit dem Gesetz während es allen anderen ziemlich egal zu sein schien. Nach friedlichen Protesten, Versuchen der Kommunikation ist die Situation letzte Woche eskaliert und es kam zu Kämpfen zwischen Indígenas und Polizei. Es gab zahlreiche Tote, Straßen wurden blockiert, die Titelblätter sämtlicher Zeitungen waren rot. Was vorher keinen interessiert hatte, war nun Thema Nummer eins. "Barbaren", "Wie können sie nur", "Kulturlose" - so wurden die Indígenas beschimpft. Kaum eine der Zeitungen machte sich die Mühe mal die Hintergründe zu beleuchten, im Gegenteil, es war einen wunderbare Möglichkeit Vorurteile zu bedienen und die Indígenas einmal mehr als Steinzeitmenschen darzustellen.

Mittlerweile hat sich die Regierung dazu bequemt noch mal über die Situation nachzudenken, das Forstgesetz wurde erstmal ausgesetzt und wird jetzt neu verhandelt - dieses Mal vielleicht unter Einbezug der Bewohner des Waldes? Ich hoffe es.

Abseits von den politischen Mysterien die hier in großer Zahl auftauchen, bleibt auch der Alltag spannend: So frage ich mich zum Beispiel warum ein schwarzhaariger Mensch sich die Haar schwarz färbt - wie zum Beispiel eine Schülerin vom Zirkus - und am Ende auch noch wirklich anders aussieht - irgendwie schwärzer...

Nun ja, einiges was ich wohl nie verstehen werde, aber auch wir sind für viele Kinder hier ein großes Rätsel. "Siehst du durch deine Augen eigentlich alles blau?"

... mmmh, und du alles braun?


Und zum Schluss noch was zu uns: Alles gut ; )

Für Fotos klickt hier

Und hier einen interessanten Artikel zu Plastikmüll.